Staffelübergabe in der Rotisserie Weingrün: Der sympathische Herbert Beltle, ein Ankerpunkt des kulinarischen Berlins, hat das Restaurant an das ebenso sympathische Team des Jolesch aus Kreuzberg übergeben. Auf weitere Dekaden Grillhähnchenexzellenz!

Alleine diese herrliche Lage. Direkt am Kanal, der ganz holländisch Friedrichsgracht heißt. Ein lauschiger, etwas tiefer liegender Vorplatz beschützt den in den 1890er-Jahren errichteten Gründerzeitbau vor der notorisch nervigen Leipziger Straße. Und weil sich die bodentiefen Fenster fast vollständig aus dem Weg schieben lassen, sitzen wir an diesem späten Sommerabend im geschmackvoll herausgeputzten Gastraum – grauer Putz, viel helles Holz, ehrlich gute Kunst und ein freigelegtes Tonnengewölbe – und gefühlt doch auch auf dem Trottoir am Kanal.
Rotisserie Weingrün: Grillrestaurant seit 2009
Viel ist hier nicht stehen geblieben im Krieg. Der so genannte Juwel-Palast schon – ein bemerkenswerter neugotischer Bau in Berlin. 2009 hat der für Berlin prägende Gastronom Herbert Beltle (ihm gehörten damals bereits das Aigner am Gendarmenmarkt und das Zollhaus am Landwehrkanal) dort die Rotisserie Weingrün eröffnet. Ein rund um einen holzkohlebefeuerten Drehspießgrill organisiertes Grillrestaurant.

Nun hat Herbert Beltle das Weingrün in neue Hände gegeben, an Renate Dengg und Max Setrak vom Kreuzberger Lieblingsösterreicher Jolesch. Mit geschmeidigen Übernahmen kennen sie sich aus. Auch das Jolesch haben sie nicht gegründet, aber mit einem Händchen für die österreichische Küche (und den Wein!) und einem Gespür für ihr Publikum zu einem Lieblingsort der Nachbarschaft gemacht – und für alle, die so ein gemütlich-gutes Lokal gerne in ihrer Nachbarschaft hätten.
Sehnsucht nach vertrauten Röstaromen
Auch die Rotisserie Weingrün steht beiden gut. Zudem teilen Dengg und Setrak Beltles Talent, gastronomische Orte zu schaffen, denen etwas angenehm Zeitloses innewohnt. Ein Geschenk, zumal in zunehmend flüchtigen Zeiten, in denen man sich vielleicht mehr nach den vertrauten Röstaromen eines Flammenwandgrills sehnt als nach der nächsten hochkulinarischen Pirouette.
Letzteres stimmt umso mehr, nachdem man das am offenen Flammenwandgrill knusprig, fleischig, aber zart gegarte Paderborner Landhähnchen erstmals auf der Zunge hatte (halbes Huhn 17,50 Euro, ganzes Huhn 32 Euro.) Unbedingt auch den Hühnerjus bestellen und, als Vorspeise oder Zwischengang, die Hühnerbolognese mit elastischen Udon-Nudeln und einem wachsweichen Ei (14 Euro).
Vom Flammenwandgrill kommt auch das Simmentaler Entrecôte, der Bratensellerie, der Lachs und – auf Vorbestellung – die mit Schwarzem Knoblauch gewürzte Barbarie-Ente. Ein Rote-Bete-Salat mit lauwarmer Burrata oder die Ceviche von der Bachforelle verlassen das Dogma der Grillküche, ohne ins allzu Beliebige abzugleiten. Auch, weil die Küche ihr Handwerk versteht. Überhaupt steht die neue Rotisserie Weingrün trotz ihres klaren (Grill-)Konzepts für eine undogmatische, offene Gastlichkeit. Ein Restaurant für viele und für viele Gelegenheiten in der Mitte Berlins.
- Rotisserie Weingrün Gertraudenstr. 10–12, Mitte, Mo–Sa 17–23 Uhr, Küche bis 22 Uhr, Website
Jolesch darf nicht fehlen, wenn wir Österreich in Berlin aufzuspüren versuchen. In Wilmersdorf findet sich mit Rasoterra die ziemlich beste Pizzeria Berlins. „Lass uns das Gulasch feiern, bis es alle ist“, sagt Max Strohe im Interview anlässlich der Veröffentlichung seines Buchs „All You Can Eat“. Na endlich: Ariel Peralta und sein lateinamerikanisches Tupac sind zurück. Das kleine Imbissrondell am Richardplatz wird endlich wieder genutzt: Fräulein Pilz heißt die sympathische Currywurstbude, die gut in die Nachbarschaft passt. Wie in Frankreich: Die Bäckerei La Miche in Schöneberg. 100 Jahre alt und immer noch gut: Das Köpenicker Eicheneck rettet die Wirtshausehre. Berlin räumt mal wieder ab: Das sind die Preisträger der Mixology Bar Awards 2026.

