Gastrotipp

Rutz Restaurant neu gestaltet: Dem Geschmack Raum geben

Kann Architektur einen Küchenstil verstärken? Das Rutz Restaurant, Berlins einziges Drei-Sterne-Lokal, wurde mit ruhiger Hand neu gestaltet. Unser Autor Erwin Seitz hat sich umgesehen und ist begeistert – sowohl vom Restaurant als auch von der Raumwirkung. Es ist Berlins derzeit komplettestes Restaurant, findet er.

Dinner unterm Schauregal im neu gestalteten Rutz an der Chausseestraße. Foto: Stefan Josef Mueller
Dinner unterm Schauregal im neu gestalteten Rutz an der Chausseestraße. Foto: Stefan Josef Mueller

Das Rutz Restaurant kommt einem Ideal sehr nahe

Ein abgedroschenes Wort: Gourmettempel. Nicht selten sitzt der Gast dann in einem überdekorierten Raum, der verzweifelt versucht, Hochmögendes darzustellen. Oder das Haus gibt sich in Zeiten der Formlosigkeit so leger wie möglich und bittet, doch am Küchentresen Platz zu nehmen. Selten ist der Gourmettempel tatsächlich ein Ort der Stille und Magie, edel vereinfacht und ergreifend.

Das Restaurant Rutz kommt diesem Ideal sehr nahe. 2001 wurde es von den Berliner Weinhändlern Anja und Carsten Schmidt an der Chausseestraße eröffnet. Konzeptionell geprägt hat es der damaligen Restaurantchef Lars Rutz, der sich seinerseits von Marco Müller beraten ließ – und diesen bald darauf auch als Küchenchef an Bord holte. Anfangs verschrieb man sich noch der Hyperkreativität der Millenniums-Phase, wollte jung und dynamisch sein, mit Molekularküche, Reagenzgläsern und Vielerlei. 

Marco Müller ist Küchenchef im Rutz Restaurant. Er setzt auf Produkttiefe, nicht -breite. Foto: Ricarda Spiegel für Rutz
Marco Müller ist Küchenchef im Rutz Restaurant. Er setzt auf Produkttiefe, nicht -breite. Foto: Ricarda Spiegel für Rutz

Doch es gab von Beginn auch den Drall ins Regionale. Und dieser Zug gab mehr und mehr die Richtung vor: weg vom Hyperexperimentellen, hin zur Konzentration auf das Wesentliche und Nachhaltige – nicht Produktbreite, sondern Produktive, Aufbau einer erstklassigen örtlich-regionalen Produktkultur im Gespräch mit den Erzeuger:innen, den Bauern und Gärtnerinnen, Fischern und Fischzüchtern.

Bald gab es am Abend nur noch ein Menü, damit man sich um die einzelnen Sachen besser kümmern konnte. Die verschiedenen Gänge bestanden aus drei, vier Hauptzutaten, serviert in einem ruhigen, runden Keramikteller. Die Gäste gingen mit, weil auch ihr Zeit- und Lebensgefühl ein anderes geworden war: Apropos Zeitempfinden: Kurz vor dem Lockdown wurde das Rutz, und mit ihm Marco Müller, mit dem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet. Endlich ein Dreisterner in Berlin, es hätte keinen besseren Ort treffen können. Unser Gespräch mit Marco Müller vom Rutz lest ihr übrigens hier.

Rutz Restaurant: Die Küche hat den Karpfen entdeckt

Nun wurde auch die Erscheinung des Restaurantraums dem so sorgsam entwickelten Küchenstil angeglichen. Gab es früher im Erdgeschoss die Weinbar und im ersten Stock das Restaurant, so bilden unten und oben nun eine Einheit mit etwa dreißig Sitzplätzen. Verantwortet hat den Umbau die renommierte Architektin Gesine Weinmiller, die sich dabei auch von der Frage leiten ließ, was denn Luxus heutzutage sei. Und was das Wesentliche. 

Der achtsame, sorgfältige Umgang in der Küche mit den Waren spiegelt sich nun im Restaurant. Die zwei Räume sind insgesamt dunkel und romantisch gehalten, aber Spotlights werfen ein brillantes Licht auf die Teller und lassen die Farben der Zutaten leuchten. Die Gäste sitzen teils auf bequemen braunen Lederbänken, die sich wunderbar anfühlen, teils auf Stühlen aus Nussbaumholz, die ein japanischer Designer entwarf.

Blickfang: Ein Schauregal mit Einmachgläsern

Der hohe Raum im Erdgeschoss öffnet sich galerieartig ins Oberschoss, vermittelt räumliche Großzügigkeit. Ein Schauregal, in dem Einmachgläser aus der Küche lagern, erstreckt sich über beide Geschosse und bildet, durchaus auch als Narrativ, das Rückgrat des Restaurants.

Die Küche hat währenddessen für sich den Karpfen entdeckt, der bislang in der Hochküche kaum zu finden war, weil er in der Regel schlickig und modrig schmeckt. Marco Müller sprach mit den Müritz-Fischern, die ihm wilde Karpfen liefern, die drei bis vier Kilo wiegen und ein überaus feines und reintöniges Aroma entfalten, vergleichbar mit der Gelbflossenmakrele. Geschlachtet wird der Fisch nach der schonenden, japanischen Ikejime-Methode, die es erlaubt, den Fisch drei bis vier Tage im Dry-aged-Schrank reifen zu lassen und dadurch den Geschmack zu verdichten. Serviert wird sowohl ein Tatar als auch ein Kotelett vom Karpfen, überzogen von einer Lack-Garum-Soße.

Restaurantchef Falco Mühlichen und seine Mitarbeiter erklären den Gästen den Aufbau der Gerichte. Jeder soll nachvollziehen können, was er isst. Sommelière Nancy Großmann stellt nicht minder charmant den Wein dazu vor. Das Rutz dürfte im Moment das beste, vor allem das kompletteste Restaurant in Berlin sein, gerade in der Art, wie Raumwirkung, Küche, Keller und Bedienung, kurz,  wie Aromen und Atmosphäre zusammenspielen. Zauberhaft. Erwin Seitz

  • Rutz Restaurant Chausseestraße 8, Mitte, Tel. 030/24 62 87 60, Di–Sa 18–23 Uhr, online

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