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Speiseöl-Krise in Berlins Gastro: Was der Engpass bedeutet

Berliner Restaurants stehen vor einer kritischen Speiseölknappheit. Sind unsere Pommes und Nudeln in Chiliöl bedroht? Teils werden schon Rezepte geändert, Mengen reduziert. Wie die Gastronom:innen damit umgehen, was sie umtreibt, lest ihr hier.

Nudel in Chili-Öl gehören zu den Entdeckungen der Berliner Foodies. Einzig: Das Öl wird knapp. Foto: Imago

In Berlins Restaurant wird das Öl knapp – nicht nur wegen des Kriegs

Die Bilder haben inzwischen alle gesehen: die leeren Regale bei Lidl, Aldi und Rewe – nur Luft, wo früher das Speiseöl stand. In einem unheilvollen Anklang an den März 2020 informieren Schilder an den Regalen die Käufer darüber, dass sie nur ein paar Liter „für den Hausgebrauch“ kaufen dürfen.

Eine Nebenwirkung des Krieges in der Ukraine, dem weltweit führenden Exporteur von Sonnenblumenöl? Teilweise – aber die Situation ist schlimmer als man denkt. Und für die Berliner Restaurants, von denen sich viele noch immer nicht vollständig von den Auswirkungen von Covid-19 erholt haben, könnte sie katastrophal sein.

Das Sichuan-Lokal Liu Chengdu Wei Dao, dessen Nudelgerichte ihren charakteristischen Geschmack durch große Mengen an hausgemachtem Chili-Öl erhalten, war eines der ersten, das am 15. März mit einem Instagram-Post auf die Krise aufmerksam machte. Am Telefon beschreibt der Mitinhaber Bernhard Sroka das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die zu einer Verknappung von Sonnenblumen- und Rapsöl, den beiden am häufigsten verwendeten Speiseölen, führten.

Ohne das hausgemacht Chili-Öl wäre das Restaurant in drei Tagen dicht

Alles habe im vergangenen Jahr begonnen mit einer misslungenen Rapsölernte in Kanada, erzählte er uns. „Schon damals stellten unsere Lieferanten ein Schild auf, auf dem stand, dass man nur fünf oder zehn Flaschen mitnehmen sollte.“ Covid-bedingte Unterbrechungen der Lieferkette verschärften das Problem, während die zunehmende Verwendung von Biodiesel in Deutschland die Nachfrage nach Pflanzenöl weiter ansteigen ließ. Und dann kam der Krieg. 

„Anfang Februar sahen wir, dass sie die Schilder wieder aufstellten, also fingen wir an, ein wenig mehr zu kaufen“, so Sroka. „Wir wussten, dass wir ohne unser Chili-Öl innerhalb von drei Tagen schließen könnten.“

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine endeten die Lieferungen fast vollständig. Heute gibt es bei Metro und Hamburger Großmarkt, den Großhändlern, auf die sich fast alle Berliner Gastronomen verlassen, „eine Palette am Morgen, wenn man Glück hat. Wenn man rechtzeitig kommt, bekommt man vielleicht etwas. Mit den Supermärkten ist es das Gleiche. Wir haben es bei unseren Lieferanten für das asiatische Zeug in Holland versucht – über Nacht riefen sie uns zurück und sagten: ‚Tut uns leid, wir können auch nicht helfen.'“

Wenn Öl zu finden ist, dann zu astronomischen Preisen. „Vor Covid haben wir 1,09 Euro pro Liter bezahlt. Nach Covid waren es 50 Cent mehr. Jetzt sind es bis zu 2,50 Euro.“

Frittieröl noch einfacher erhältlich – aber es wird rationiert

Seltsamerweise gilt der Engpass noch nicht für Frittieröl, eine spezielle Mischung aus Sonnenblumen- und Rapsöl, die einen hohen Rauchpunkt hat. Vladi Gachyn von Goldies, der Gourmet-Pommesbude in der Oranienstraße, versicherte uns, dass sein Restaurant in absehbarer Zeit weiterhin Pommes servieren wird. „Wir verwenden reines Sonnenblumenöl für die Mayonnaise und unsere anderen Saucen. Unsere Lieferanten lassen uns wöchentlich 50 Liter davon kaufen, weil sie wissen, dass wir nicht ‚hamstern‘ und alles verbrauchen werden. Das ist gerade so viel, wie wir brauchen, also suchen wir nach anderen Quellen… wir werden sehen, wie sich die nächsten Wochen entwickeln.“

Goldies Gründer Vladi Gachyn (l.)  und Kajo Hiesl frittieren eine Menge – dazu braucht es Öl. Foto: Annekathrin Warter

Die Situation bei Liu ist noch prekärer. Da sie nicht in der Lage sind, Frittieröl als Basis für Chili-Öl zu verwenden (es würde den Geschmack zu sehr beeinträchtigen), versuchen sie, sich über Wasser zu halten, indem sie die Menge, die sie für ihre Gerichte verwenden, reduzieren. Eine schwierige Aufgabe in der Sichuan-Küche, wo „wir Öl wirklich lieben“, wie Sroka sagt. „Im Moment trennen wir die Chilis vom Chili-Öl und geben sie zusammen mit ein wenig Öl auf die Nudeln. Das macht die Sache etwas schärfer.“ 

Dank der Rationierung und des umsichtigen Einsatzes von Olivenöl, das zwar noch überall erhältlich, aber zu teuer ist, um damit in großen Mengen zu kochen, schätzt er, dass Liu noch „zwei Monate lang offen halten kann. Vielleicht sogar noch länger, denn seit wir diesen Instagram-Post gemacht haben, kommen immer weniger Leute.“

The Panda Noodle verkauft kein frittiertes Hähnchen mehr

Aus Angst, Gäste zu vergraulen, haben sich nur wenige andere Berliner Restaurants zu ihren Ölproblemen geäußert – mit Ausnahme von The Panda Noodle, das ankündigte, sein thailändisches Brathähnchen bis auf Weiteres einzustellen. Aber in einer anonymen Instagram-Umfrage der Gruppe Feminist Food Club gaben 56 Prozent der antwortenden Gastronom:innen an, dass sie betroffen sind.

Wie die Covid-19-Pandemie hat auch der Ukraine-Krieg die Schwächen eines globalen Lebensmittelsystems offenbart, das die meisten von uns ein Leben lang für selbstverständlich gehalten haben. Auch Mehl wird knapp – Deutschland importiert zwar nicht viel Weizen aus der Ukraine oder Russland, aber die Käufer haben sich in Erwartung steigender Preise damit eingedeckt. Und Expert:innen warnen bereits vor einer Senfknappheit, die dazu führen könnte, dass Bratwürste noch in diesem Jahr nackt bleiben.

Die Restaurants, die in der glücklichen Lage sind, alle benötigten Zutaten zu beschaffen, werden dennoch kämpfen müssen. „Wenn in den Supermärkten die Preise steigen, sind die Kunden bereit zu zahlen“, so Gachyn. „Aber nicht in der Gastronomie.“ 

Ihm und seinen Kochkollegen bleibt nicht viel anderes übrig, als zu improvisieren und zu hoffen, dass ihre Kunden ihnen folgen werden. „Man könnte es einen perfekten Sturm nennen“, sagt Sroka. „Jetzt müssen wir sehen, ob das Haus wegfliegt oder nicht.“


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