Wir hätten da eine Idee für einen lauen Sommertag: Mittagessen in der Theke an der Seestraße im Wedding – und dann bis zum Apéro bleiben. Wir haben das neue Lokal der Michelberger-Familie besucht.
Theke im Wedding: Zeitgenössischer Brunchspot
Manchmal sind die Dinge mehr als paradox in Berlin. Einerseits beschweren sich alle über eine immer enger werdende Stadt. Über den Wegfall der Möglichkeitsräume. Und dann wird eine Neueröffnung im Wedding von manchen Gästen schon zum Ausflug deklariert. Fast, als ginge es an den See und nicht in die Seestraße.
Tom Michelberger, gemeinsam mit seiner Frau Nadine Initiator des Lunch- und Gartenlokals Theke, muss bei dieser Feststellung schmunzeln. Mit Randlagen kennt er sich aus. Einerseits hat das Michelberger Hotel im vergangenen Jahr ein Hide-away im südlichen Spreewald eröffnet, die Michelberger Farm. Andererseits „sagt mein Vater noch regelmäßig, wenn er unser Hotel Richtung Kreuzberg verlässt, er geht jetzt in die Stadt“.
Das Michelberger Hotel liegt bekanntermaßen an der sehr urbanen Warschauer Brücke.
Die Theke liegt, wie gesagt, in der Seestraße in Wedding, auf dem historisch gewaltig bedeutsamen Gelände der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin. Dass es dort nun einen zeitgenössischen Brunchspot gibt, mit herrlichen Leberkäs-Semmeln und der gemüsegrünen Ernte der Michelberger Farm, diese durchaus glückliche Entwicklung ließe sich gleich aus drei Perspektiven erzählen.
Likör zum Lunch
Erstens ausgehend von der Preußischen Spirituosen Manufaktur, die seit gut einem Jahr MXPSM heißt, Michelberger x Preußische Spirituosenmanufaktur. Schon kurz nach der Hotelgründung vor 15 Jahren hatte man zwei Schnäpse, Berg und Wald, gemeinsam entwickelt.
Als die historische Likör-Manufaktur nach der Pandemie vor der Insolvenz stand, sind die Michelbergers eingestiegen. Zu wertvoll schien ihnen das Erbe eines Ortes, an dem eigentlich alle bekannten Berliner Spirituosen entwickelt worden waren. Erst seit den 2000er-Jahren war aus der Lehranstalt wieder eine aktive Spirituosenmanufaktur geworden.
Zweitens ist da die Brasserie Ora am Oranienplatz, die ehemalige Oranien Apotheke, auch sie ein Teil der Michelberger Familie. Sam Griffin, ein Koch dort, hatte Lust auf eine neue, weniger nachtaktive Aufgabe. Weshalb die Theke eben auch Theke heißt, weshalb die letzten fünf Buchstaben eines ausgedienten Apothekenschilds im Fenster stehen. Und weshalb man durchaus einen Ausschnitt der gleichsam herzhaften und frischen Ora-Küche erwarten kann. Acht bis elf Euro kosten diese Teller. Mittelfristig wird es vier bis fünf Angebote geben. Dazu ein (süßes) Nachmittagsprogramm.
Und drittens ist da die erwähnte Farm im Spreewald. Gemüse, Kräuter, Salate kommen, vorwiegend, von dort.
Die Theke ist Kantine, Imbiss, Gartenlokal
Die Theke ist ein angenehm lässig und zeitlos gestaltetes Lokal, eine Mischung aus Imbiss, Kantine und Wirtsstube. Sie profitiert vom Charme der historischen Lehr- und Liköranstalt. Der Hofladen, also der Verkaufsraum von MXPSM, liegt gleich hinter der offenen Küche, und mit etwas Glück kann man auch einen Blick auf die kupfernen Destillationsapparate erhaschen. Ein knappes Dutzend Plätze findet sich am rundlaufenden Fenstertresen. Draußen schaffen verstreute Tische die Atmosphäre eines entspannten Gartenlokals, die Sonne wandert über den Tag einmal ums Haus. Wir empfehlen eine Rosen-Spritz, den besseren Aperol, gemacht mit dem Rosenlikör aus der eigenen Manufaktur nebenan.
Was allen Beteiligten wichtig ist: Dieser Ort soll langsam wachsen. Und nicht als nächster Hype durchs Berliner Dorf getrieben werden. Für einen Food-Hype wäre die Seestraße, wie gesagt, auch zu weit draußen. Vor allem geht man im Hause Michelberger die Dinge gerne angemessen bedächtig an.
- Die Theke Seestr. 13 (im Gebäude der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin), Wedding, Mo-Mi 12–17 Uhr, Do-Fr ab 12 bis Sonnenuntergang, Website, Instagram
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