Niemand hat in Berlin so lustige, exotische und unkonventionelle Pizzen gebacken wie Sebastian Hunold in seinem Kreuzberger Laden Ron Telesky. Jetzt kam nach 13 Jahren das Aus für die beliebte Kiez-Institution. Mach’s gut und danke für den Elch!
Kanadische Pizza? Das gibt es doch gar nicht! Gibt es, oder besser, gab es bis vor kurzem in Sebastian Hunolds kleinem Souterrainladen in der Dieffenbachstraße im Gräfekiez. Wer die paar Stufen hinabstieg, landete in seiner verspielten, ziemlich gemütlichen Pizza-Höhle.
Das Credo im Ron Telesky: Alles anders machen
Foodies kannten den Laden, hier gab es eigensinnige Kreationen mit Süßkartoffel und Koriander-Pesto, Erdnüssen und Kimchi, im Winter kam Gänsebraten auf den Teig und Rote Beete. Wenn Hunold besonders experimentierfreudig war, packte er Pommes, Spätzle, Bananen oder Nutella auf die knusprigen Böden. Alles anders machen, bloß nicht die nächste Normalo-Pizza backen, das war sein Credo.
Im Ron Telesky waren aber nicht nur die Pizzen speziell. An den Wänden hingen Poster von kanadischen Hockeyspielern. Man saß auf Holzpflöcken, überall lagen Superhelden-Comics und alte Ausgaben der „Titanic“ herum. Die Jacken hängte man an ausrangierter Skier. In der Ecke flackerte ein Flipper. Und in der anderen ein Videospielgerät aus den 1980er-Jahren und über allem wachte der riesige Elchkopf. Ein echter kanadischer Elch, den ein Mann namens Ron Telesky präpariert hat, irgendwann vor einer halben Ewigkeit, und der dem Laden den Namen gab.
Hunolds Begeisterung für Kanada stammte noch aus seiner Jugend, damals verbrachte er ein Austauschjahr in der Nähe von Toronto. Nach dem Abitur machte der gebürtige Berliner eine Ausbildung zum Koch, danach tingelte er in seinen Zwanzigern durch die Welt und kehrte für eine Weile nach Toronto zurück. Dort traf er einen abenteuerlustigen Pizzabäcker, der nicht unbedingt der klassisch-italienischen Schule folgte. Und das inspirierte Hunold zu seinem eigenen Laden.
Nur bei Ron Telesky gab es Pizza mit Ahornsirup
Um 2007 machte er sich, anfangs mit einem Partner, selbstständig. Er entwickelte die Rezepte und erfand lustige Namen für die Pizzen. Es gab die „Kreuzberger Taube“ und die „Couchpotato“, auch nach Wayne Gretzky, dem größten Eishockeyspieler aller Zeiten, benannte er eine Pizza. Auf die kam Fetasauce, Chorizo, Speck, Chili, Peperoni und Knoblauch-Ahornsirup. Überhaupt machte der scharfe Ahornsirup jede Ron-Telesky-Pizza so einmalig.
Daneben lebte der im Kiez immer bekannter werdende Pizzamann auch seine nicht-kulinarischen Leidenschaften in dem Laden aus. Vormittags dröhnten Ton Steine Scherben, Bob Dylan und „Walk of Life“ von den Dire Straits aus den Lautsprechern. Hier wurde Swing getanzt und alte Vinylplatten auf Mono-Plattenspielern aufgelegt. Altes „Star Wars“-Spielzeug diente als Dekoration. Prominente Freunde des Hauses, wie der Kabarettist Bodo Wartke, gaben unangekündigte Konzerte und irgendwann nahm Hunolds Begeisterung für Lego immer mehr Raum ein. Kinder konnten mit den bunten Steinen spielen, ein Lego-Modell des Ladens stand in der Fensternische und eine Lego-Pizza in Originalgröße hat er auch gebaut.
Der Laden war genauso individuell und eigensinnig wie sein Betreiber. Hunold war das Ron Telesky. Am besten war es immer dann, wenn er am Tresen stand. Doch er rieb sich auf. Zwölf-Stunden-Schichten, sechs Tage die Woche, waren keine Seltenheit. Das hält man auf Dauer nicht aus.
Schon im letzten Jahr dachte er ans Aufhören, fasste aber noch einmal Mut und schmiss den Ofen wieder an. Als im März 2020 Corona kam und der Lockdown, als die Leute nur noch mit Maske im Laden sein durften und Kinder nicht mehr mit den Legos spielten, als die ganze Atmosphäre bedrückender und die finanzielle Situation schwieriger wurde, warf er Mitte September das Handtuch. Das Ron Telesky wird fehlen.
Auf den sozialen Kanälen gibt es einen Hinweis, wie es weitergehen soll, nämlich in Schweden. Dort will Hunold berlinkanadische Pizzen backen. Den Elch nimmt er jedenfalls mit.
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