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Gastro-Geschichte

Spachteln und Picheln: Eine kulinarische Zeitreise durch Berlin

Berlin war zwar lange Zeit nicht als kulinarische Hauptstadt bekannt, aber Berliner*innen haben schon immer gut und gerne gegessen, wie diese historischen Fotos aus den Untiefen des Archivs der Stiftung Stadtmuseum beweisen. Kommt mit uns auf eine kulinarische Zeitreise: durch die letzten 100 Jahre bechern, essen und genießen in Berlin!


Um 1920: Restaurant „Schliefe“

Restaurant „Schliefe“ in Marzahn Hellersdorf in den 1920ern kulinarische Zeitreise
Ausflügler in Mahlsdorf. Foto: Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

Fast 100 Jahre reisen wir mit unserer kulinarischen Zeitreise zurück – denn so alt ist diese Ansichtskarte, die Ausflügler im Restaurant „Schliefe“ im heutigen Mahlsdorf zeigt. Die Schliefe war nur eine von vielen Ausflugslokalen in der Gegend, die sich an Großstädter auf Erholungssuche richtete.

Wie viele andere Etablissements dieser Art verfügte die Schliefe auch über einen großen Saal für Tanzveranstaltungen und ähnliches – ihrer fasste knapp 600 Personen! Und da sich das Lokal vor allem an „die kleinen Leute“ richtete, konnte man hier auch seinen eigenen Kaffee kochen.


1930: Mittagspause im Park

Künstlerisches Picknick im Freien.     Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin
Künstlerisches Picknick im Freien. Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin

Schauspielerin Camilla Spira, Autor Ralph Benatzky und Operettensänger Walter Jankuhn sind heute wahrscheinlich nur noch wenigen bekannt, doch gehörten sie zu den Stars und Sternchen Berlins.

Hier gönnen sie sich wahrscheinlich eine schöpferische Mittagspause bei den Proben zum Singspiel „Im Weißen Rößl“ von Benatzky, das im November 1930 seine Uraufführung im Großen Schauspielhaus (heute wieder aufgebaut als Friedrichstadtpalast) hatte.

Im Picknickkorb: natürlich Stullen, dazu eine Kleinigkeit zum Löffeln und Getränke – nur aus echten Gläsern!


1936: Verkaufsstand Neuland-Ost, Marzahn

Räucherfisch im Kleingartenverein Neuland-Ost in 1936, kulinarische Zeitreise
Räucherfisch im Kleingartenverein Neuland-Ost. Foto: Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

1933 wurde die Kleingartenanlage Neuland-Ost in Marzahn angelegt, die 1976 für die Errichtung der Großsiedlung Marzahn abgerissen wurde.

Kleingartenanlagen sollten nicht nur der Erholung der Großstadtfamilien dienen, sondern auch der Selbstversorgung. Daneben spielte aber auch Gemeinschaft und Vergnügung eine Rolle, zum Beispiel bei Sommerfesten wie auf diesem Bild. Der Verkaufsstand verkauft geräucherten Fisch – ob der wohl frisch vor Ort geräuchert wurde?

Kleingärten sind auch heute noch beliebt in Berlin – und ganz schön voll, weshalb wir Alternativen zu den Kolonien zeigen.


1955: Knacker auf die Hand

Imbissbudenverkäuferin und Knacker: Essen auf die Hand war schon immer eine Berliner Spezialität.
Knacker auf die Hand an einer Westberliner Imbissbude. Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin-Morlind Tumler/Cornelius MaschkeReproduktion: Cornelius Maschke, Berlin

Eine strahlende Verkäuferin und ihre Würstchen. Unglaublich aus heutiger Sicht der Preis: 50 Pfennig das Stück. West-Berlin in den 1950ern erfreut sich am Wirtschaftswunder – und am leckeren Essen, das wieder reichlich vorhanden ist.

Eine Wurst auf die Hand an der Imbissbude gehört zum städtischen Alltag. Eilig Essen für Unterwegs – auch irgendwie eine Berliner Spezialität.


1961: Mobile Essensausgabe vor dem Reichstag

Britische Soldaten an der mobilen Essensausgabe am Reichstag 1961
Karierte Tischdeckchen und Uniform: britische Soldaten werden im Freien verköstigt. Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin-Morlind Tumler/Cornelius MaschkeReproduktion: Cornelius Maschke, Berlin

Eine seltsam entspannt wirkende Szene: britische Soldaten in ihrem Camp vor dem Reichstag. Die mobile Essensausgabe sieht weniger nach Gulaschkanone denn wie ein moderner Streetfood-Truck aus – inklusive karierter Tischdeckchen.

Der Anlass für das Camp war weniger schön: Vor dem Reichstag begann der Bau der Mauer und die britischen Soldaten sollten dafür sorgen, den Zorn der Westberliner*innen unter Kontrolle zu halten.


1965: Lebensmittel-Eck Marzahner Chaussee

Selbstbedienung als Einkaufsrevolution: "Lebensmittel-Eck" in Marzahn.     Kulinarische Zeitreise
Selbstbedienung als Einkaufsrevolution: „Lebensmittel-Eck“ in Marzahn. Foto: Gerhard Kolberg/Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

Weiter geht es mit unserer kulinarischen Zeitreise zu einer wahren Lebensmittelrevolution im Osten: das „Lebensmittel-Eck“ auf der Marzahner Chaussee (heute Bruno-Baum-Straße) diente der Versorgung der Bewohner der Einfamilienhaussiedlung westlich des Dorfes (!) Marzahn.

Das kleine Geschäft war ein Selbstbedienungsgeschäft, wie sie seit den 1950ern beliebter wurden und den Verkauf über die Theke ersetzten.


1975: Markthalle Neun, Kreuzberg

Markthalle Neun in Kreuzberg 1975, kulinarische Zeitreise
Markthallen verloren an Bedeutung. Foto: Sammlung Jürgen Henschel

In den 1970er Jahren drohte der zwischen Eisenbahnstraße und Pücklerstraße gelegenen Markthalle Neun das Aus: nach dem Mauerbau lag die Halle für Westberliner am Stadtrand, Supermärkte wurden immer beliebter und die alten Kreuzberger*innen zogen an den Stadtrand.

Wenige Jahre nach dieser Aufnahme, in 1976, konnten nur noch knapp 60 Prozent der Fläche in der Halle vermietet werden.


1979: Staatlicher Obst- und Gemüseankauf, Biesdorf

Staatlicher Obst- und Gemüseankauf, Biesdorf, DDR. Kulinarische Zeitreise
Ob das alles nur selbstgeerntete Waren sind? Foto: Breitenborn/Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

Und damit im Selbstbedienungsladen auch genug im Regal lag, wurde staatlicherseits von Kleingärtner*innen Obst- und Gemüse angekauft. Der Verkauf war attraktiv, da die Ankaufspreise teilweise höher lagen als später die Endverkaufspreise im Laden.

Das führte auch zu absurden Situationen, wie das die Verkäufer erst die Waren im Geschäft ankauften, um sie später wieder zum Aufkauf anzubieten.


1981: Marheineke Markthalle, Kreuzberg

Blick auf die Markthalle XI im Bergmannkiez in 1981
Der Neubau der Markthalle XI im Bergmannkiez war 1981 schon nicht mehr so neu. Foto: Jürgen Henschel/FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum

Im Zweiten Weltkrieg wurde die originale Markthalle XI im Bergmannkiez fast völlig zerstört, doch schon kurz nach Kriegsende siedelten sich erste Händler*innen in der Ruine ein.

In den 1950er Jahren wurde das Gebäude neu errichtet, allerdings nicht mehr mit der für Berliner Markthallen typischen Backsteinfassade, sondern (vermeintlich) modern verputzt und weiß gestrichen.


1985: Gaststätte Mecklenburg, Kaulsdorf-Nord

Mecklenburg in Kaulsdorf: die Gaststätte existiert heute nicht mehr. Foto: Volkhard Kühl/Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

Parallel zu den Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf entstanden ab den späten 1970ern Wohngebietsgaststätten. Da Hellerdorf ein „Gemeinschaftsprojekt“ aller 15 DDR-Bezirke war, wurden die Gaststätten dort nach den jeweiligen Regionen, nach Orten oder auch nur nach regionaltypischen Begriffen benannt.

Die heute nicht mehr existierende Gaststätte „Mecklenburg“ in Kaulsdorf-Nord erhielt ihren Namen, weil das Wohngebiet von Baubetrieben aus den drei mecklenburgischen Bezirken Neubrandenburg, Schwerin und Rostock errichtet wurde.


Kulinarische Zeitreise ins Jahr 2019: Curry 36

Eine kulinarische Legende am Mehringdamm: Curry 36. Die Currywurst ohne Darm gilt als Berliner Spezialität
Eine kulinarische Legende am Mehringdamm: Curry 36. Foto: Michael Setzpfandt/Stiftung Stadtmuseum Berlin

Die Currywurst gehört so sehr zu Berlin wie die Eckkneipe und die Berliner Schnauze. Woher man nun die beste Currywurst Berlins bekommt, darüber wird gerne gestritten, ebenso wie darum, wo sie denn nun erfunden wurde. Ist es nun eine Berliner Spezialität? Oder kommt die wahre Currywurst aus dem Ruhrgebiet? Unsere Meinung ist da natürlich ganz klar!

Curry 36 versorgt Hungrige seit den 1980er Jahren mit dem Klassiker aus der Nachkriegszeit und gehört zu den bekanntesten Currywurstschmieden Berlins. Das Pendant im ehemaligen Ostteil der Stadt ist Konnopke’s Imbiss in der Schönhauser Allee.


2019: Mustafa’s Gemüse Kebap

Mustafas Gemüse Kebap. Döner ist eine Berliner Spezialität.
Bei Mustafas gibt es den wohl bekanntesten Döner Berlins. Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin

Neben dem Berghain die wahrscheinlich härteste Schlange Berlins: Das war die Schlange für Mustafa’s Gemüse Kebab. Der Dönerstand galt für viele Tourist*innen als Must-see (und -eat), dementsprechend gehörten lange Schlangen zur Tagesordnung.

2019 brannte die kleine Hütte am U-Bahnausgang leider ab, seitdem wird der beliebte Döner aus einem mobilen Imbisswagen um die Ecke verkauft. Übrigens: Der Döner ist eine Berliner Erfindung – und schmeckt am besten natürlich im Dönerladen des eigenen Vertrauens.

Mustafas Gemüse Kebab Mehringdamm 32, Kreuzberg


2019: Ketwurst 2.0

Imbissstand Alain Snack Prenzlauer Berg. Dort gibt es Ketwurst, eine Berliner Spezialität – zumindest für den Ostteil der Stadt.
Ketwurst? Gibt’s bei Alain Snack im Prenzlauer Berg! Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin

Döner, Falafel und Currywurst finden sich an jeder Ecke – doch die Ketwurst, die DDR-Antwort auf den westlichen Hotdog, wird immer seltener. Ket-was? fragt da die Westberliner*in, die Antwort: ein ausgehöhltes Brötchen, in das eine Wurst mit Ketchup kommt.

Wer nun auf Geschmack gekommen ist, kann bei Alain Snack im Prenzlauer Berg neben Currywurst, vegetarischen Bratwürstchen auch die Ketwurst probieren. Und mit dieser Berliner Spezialität ein Stück Ost-Berliner Imbissgeschichte erleben.

Alain Snack Schönhauser Allee 116a, Prenzlauer Berg,


2019: Thai-Park

Thaiwiese im Preußenpark.
Trubeliges Treiben: von der Wiese war letztes Jahr auf der „Thaiwiese“ nichts mehr übrig. Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin

Berlin ist bunt und an wenigen Orten zeigt sich das so schön wie im sogenannten „Thaipark“, der eigentlich Preußenpark heißt, am Fehrbelliner Platz. Vor rund 20 Jahren begannen sich Berliner*innen meist thailändischer Herkunft hier zu treffen. Daraus erwuchs langsam ein regelrechter Markt, an dem auch Passant*innen teilnahmen, und der Park wurde ein Ort der Begegnungen. Und aus unserer kulinarischen Zeitreise wird hier eine kulinarische Weltreise.

Nachdem das Markttreiben in den letzten Jahren dann doch etwas überhand nahm, sollte es dieses Jahr mit neuen Regeln und Bauten in geordnetere Bahnen gelenkt werden. Mit Corona verzögern sich die Änderungen wahrscheinlich.

Thaiwiese im Preußenpark Brandenburgische Straße, Wilmersdorf


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