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Stoke ist einer der spektakulärsten kulinarischen Orte Berlins

Yakitori heißt ein Hähnchengrill in Japan. Nur dass ein Hähnchengrill in Japan nicht einfach nur ein Hähnchengrill ist. Ein Abend bei Stoke, einem der spektakulärsten kulinarischen Orte in dieser Stadt.

Huhn neu schmecken im Stoke. Foto: Clemens Niedenthal

Wer gelegentlich grillt oder schon einmal ein Lagerfeuer gemacht hat, kennt dieses Phänomen: Bis die Flamme lodert, braucht es einem langen Atem. Es kann dauern, bis der Funke überspringt.

Und schon sind wir mitten drin in der Geschichte eines Restaurants, das es eigentlich schon seit zwei oder drei Jahren geben sollte. 2020 hatten Jeff Claudio und Jessica Tan bereits unter dem Namen Stoke ein Pop-up in Dylan Watson-Brawns Restaurant Ernst am Nettelbeckplatz gemacht. 

Der gebürtige Kanadier mit philippinischen Wurzeln war gerade frisch aus dem Burnt Ends in Singapur nach Berlin gekommen. Und genauso frisch wirkte die Idee, eine feine Küche rustikaler und radikaler zu denken. Vor allem: radikal nah am Produkt. Eine feine Küche als Feuerküche, serviert an einem langen L-förmigen Tresen mit Blick auf den offenen, in Japan maßgefertigten  Binchotan-Holzkohlegrill.

Dann aber passierten Dinge, die in Berlin eben passieren. Zumal, wenn man eine Feuerküche in ein Kontorhaus von 1900 baut, damals eines der ersten Gebäude der Stadt in moderner Stahl-Beton-Bauweise. Das Vorhaben verkomplizierte und die Baufortschritte verzögerten sich. Ein erster größerer Grill und die damit noch einmal komplexere Abluftanlage stießen nicht auf den Segen der Behörden.

Jetzt gibt es das Stoke an diesem Ort wirklich. Serviert wird ein wechselndes Yakitori-Menü (75 Euro), das immer dieses eine Thema hat: verschiedene Yakitori- und Kushiyaki-Spieße, die über dem besagten Binchotan-Grill gegart werden. Jeder einzelne kleine Gang ist reduziert auf ein, zwei, allenfalls drei Produkte. Spektakulär ist bereits der Auftakt: eine Hähnchenleber-Pastete auf einem im neapolitanischen Holzofen gebackenen Toast. Ein weiterer Gang, der sich nicht zwischen Comfort Food und feinkulinarischer Expertise entscheiden muss: Jeff Claudios Interpretation der Berliner (Hähnchen-)Bulette, serviert mit einem kaum gegarten Eigelb und einem tiefenaromatischen Sud.

Jeffrey Claudio (Mitte) und Jessica Tan (rechts) sind für Stoke nach Berlin gekommen. Niklas Hansen, Gründer von Slurp Ramen in Kopenhagen, begleitet das Projekt. Foto: @surreljamesnelson James Nelson

Wer mag, kann das so klug wie intuitiv komponierte Menü um einige Exkursionen erweitern, ebenfalls als Yakitori-Spieß gäbe es Herz, Leber oder, für Mutigere, den Gizzard, also den Muskelmagen des Huhns. Es gäbe ein Hamachi von der Gelbflossenmakrele und immer auch etwas vom Schwein oder Rind, an diesem Abend Short Ribs, nicht auf dem Grill, sondern im Ofen als Pie zubereitet. Immer handelt es sich dabei um besondere Cuts von besonderen Tieren.

Überhaupt: Die Sache mit der Produktqualität. Das Produkt ist in der japanischen Küche heilig. Und genauso Jeff Claudio. Zwar gebe es auch in Deutschland inzwischen Freilandhühner von hervorragender Qualität. Claudio nennt etwa Lars Odefey aus der Lüneburger Heide, der mit alten französischen Rassen arbeitet und in Berlin beispielsweise das Nobelhart & Schmutzig beliefert. Für ein Yakitori, also für die komplexe Kunst, ein einzelnes Tier in bis zu 30 unterschiedlichen Zuschnitten und Zubereitungsformen zu servieren, seien diese Hühner aber nur bedingt geeignet.

Eine legere Exzellenz des Gastgebens bei Stoke

Jeff Claudio ist schließlich in der Steiermark fündig geworden, der Tipp kam von Lukas Mraz aus dem Wiener Mraz & Sohn. Bresse-Hühner aus extensiver Freilandhaltung, die zudem ein paar Monate älter werden dürfen. Apropos: Gerne würde Claudio mit dem Fleisch wirklich alter Tiere experimentieren, wie es etwa bei Rindern längst üblich ist. Zudem legt er Wert darauf, dass bereits das Zerlegen der Tiere, die sogenannten Cuts, Teil des eigentlichen Kochvorgangs seien.

Im Stoke versteht man, was das Berliner Publikum braucht. Foto: Clemens Niedenthal

Schließlich sei es doch so: „Alle essen immerzu Hühnchen und wissen doch gar nicht, wie und wie unterschiedlich Huhn wirklich schmecken kann.“

Diese Erfahrung also, Huhn wirklich neu zu schmecken, wäre ein Grund, bald im Stoke einzukehren. Die legere Exzellenz des Gastgebens wäre ein weiterer, die immer herzliche, nie aber übergriffige, die stets lebendige, nie hektische Atmosphäre. Oder der große, offene und doch gemütliche Gastraum mit den wenigen, präzise gewählten Materialien.

Vor allem aber sind es die Menschen, die das Stoke ausmachen. Jeff Claudio natürlich und seine Geschäftspartnerin, Gastgeberin Jessica Tan. Sie kommt aus dem 2020 geschlossenen, spektakulär guten Kopenhagener Restaurant Relæ. Sommeliere Sophia Fenger könnte man aus dem Barra oder zuletzt dem Coda kennen. Fenger versteht das Berliner Publikum und vor allem eine hierarchiefreie Kommunikation am Tisch.

Und Barchef Adam Tudoret, ebenfalls aus dem Coda, serviert nicht nur unaufdringlich elegante Highballs. Er zapft auch ein Fürst-Wiacek-Pils, gebraut übrigens in Siemensstadt, mit einer so lässigen Eleganz, dass man fast meinen könnte, wirklich in einer japanischen Kneipe zu sitzen.

  • Stoke Lindenstr. 34-35 (Eingang in der Feilnerstr.), Kreuzberg, Mi–Sa 18–23 Uhr, Website

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