Schmeckt noch immer ganz passabel. Und es schmeckt noch immer ganz genauso. Im Schiller Burger in der Schönleinstraße, im namensgebenden Stammhaus im Neuköllner Schillerkiez und vermutlich auch in den sechs übrigen Filialen zwischen Pankow und Friedrichshain. Hat sich ja auch nichts geändert, also vor den Kulissen. Hinter den Kulissen wurde der mindestens unternehmerisch umtriebigste unter den neuen Berliner Burgerläden im vergangenen Monat vom niedersächsischen Lebensmittelmulti Heristo mit Sitz im beschaulichen Bad Rothenfelde gekauft. Einem Unternehmen, das bisher mit Handelsmarken wie Appel (Fischkonserven), Stockmeyer (Wurstwaren) oder Ferdi Fuchs (Gesichtswurst) eher im niedrigpreisigen Supermarktsortiment zu Hause ist. Aber Street Food Credibility? Wohl eher nicht.
4,50 Euro kostet ein Schiller Burger mindestens, woran sich auch künftig nichts ändern soll. Das ist viel verglichen mit McDonald’s oder Burger King. Und doch eher wenig, wenn man Läden wie The Bird oder Tommis Burger Joint zum Maßstab nimmt. Die Besserburger also. Der Schiller Burger aber war immer einer, den man sich leisten konnte, damals 2011 im Schillerkiez, als der Laden am Tempelhofer Feld zum röstaromatischen Indiz einer Kiezaufwertung geworden war. Und nun eben künftig in Reinickendorf, in Spandau und im Rest der Republik.
Dorthin nämlich will der Neueigentümer Heristo den Schiller Burger bringen. Man setzt auf Expansion. Und auf hungrige Mittelschichten, wie auch konsumfreudige Hipster eben eine sind. Auf Konsumenten, die sich den teureren Restaurantbesuch sparen wollen, aber dennoch das Erlebnisangebot eines gastronomischen Ausflugs schätzen. Ein Laden wie der Schiller Burger nämlich ist zumindest das nicht: abwaschbar und austauschbar wie jene neonbeleuchteten und plastikbestuhlten Systemgastronomie-Filialisten. So gesehen ist es von Vorteil, dass Heristo eben gerade kein Image hat. Da kann man sich das coole Image des Schiller Burgers umso widerspruchsloser überstreifen. Die Kunden werden denn auch keine Veränderungen spüren, teilt das Unternehmen auf Nachfrage schmallippig mit.
Viel. Und doch wenig. Gerade hat der einstige Fast-Food-Monopolist eine vollmundige Kampagne gestartet und diese listigerweise genau vor jenen Läden plakatiert, die exemplarisch für jenes neue Burgertum stehen. Vor The Bird am Kottbusser Damm wirbt McDonald’s also für seine Patties vom Simmentaler Rind. Ein aromatisches und nicht zuletzt relativ rares Fleisch, das bis dato eher zum Distinktionsargument der gehobenen Gastronomie taugte. Wo es indes nie, wie bei McDonald’s eben üblich, tiefgekühlt auf den Grill kommen würde. Im Schiller Burger sind die Patties frisch.
Nötig ist diese Image-Kampagne. Das vergangene Jahr war, in Deutschland wie auf dem Heimatmarkt USA, eines der schlechtesten der Unternehmensgeschichte. Gerade die umsatzrelavante Zielgruppe der 20- bis 40-Jährigen sehnt sich nach mehr Regionalität, mehr Individualität, mehr Atmosphäre. Fast Casual Dining heißt dieser Trend. Fast Food zwar, aber bitte frisch zubereitet und, wie auf der Kreidetafel beschrieben, auf dem Holztisch serviert. Berlin ist voll von solchen Läden. Konsumforscher Eike Wenzel: „In seiner heutigen Form funktioniert McDonald’s, ästhetisch wie kulinarisch, bald nur noch an Autobahnausfahrten.“ Dann also, wenn man zwar etwas essen muss – aber eben nicht essen geht.
Vielleicht sogar ziemlich toll. Wenn man Tobias Bürger vom Big Stuff Smoked BBQ in der Kreuzberger Markthalle Neun glauben darf. „Es wäre doch Wahnsinn, wenn wir Kleinen die große Lebensmittelindustrie zum Umdenken bringen könnten.“ Wenn also die Achtsamkeit gegenüber dem Produkt – und seinen Produktionsbedingungen – nicht mehr nur Thema einer noch immer überschaubaren urbanen Szene wäre. Der Foodies eben.
Aber Tobias Bürger weiß natürlich nur zu gut, dass dies das unwahrscheinlichere der möglichen Szenarien ist. Beef in Bio-Qualität jedenfalls hat es schon im „alten“ Schiller Burger nur gegen Aufpreis gegeben. Und in den Fast-Food-Läden und auf den Street-Food-Märkten dieser Stadt wird man künftig noch einmal genauer nachfragen müssen, ob da nicht doch nur die Attitüde stimmt. Coole Gesten nämlich machen noch kein gutes Gericht. Und Street Food ist manchmal auch nur die neue Currywurst – günstig, heiß und fettig.
Text: Clemens Niedenthal
Foto: Studio Leni Stein