Der Name macht einen etwas wuschig: Soya geht ja noch, das erinnert an Soja, aber was bitte ist Cosplay? Chef Guan Guanfeng hat ein Faible für Wortschöpfungen. Cosplay heißt für ihn: neue Rezepturen in traditioneller Anmutung (in Japan bezeichnet es einen Verkleidungstrend). Der Name ist also Programm, und nicht nur für die Speisen, sondern auch für das Design des sich über drei Etagen erstreckenden Restaurants. Gleich am Empfang steht ein klassisches Ledersofa – in Giftgrün. In der untersten Etage ist eine Art Hofsituation nachgestellt, wie sie im alten China üblich war, beleuchtet von modernen Lampions. Nichts, aber auch gar nichts erinnert mehr an den Vorgänger, den etwas in die Jahre gekommenen Edelitaliener, der vorrangig zu den bundespolitischen Anfängen seine Gästeschar akquirierte.
Jede der drei Etagen hat ihren eigenen Stil – und jede Etage profitiert von den Gästen. Chinesisches Essen ist ein gesellschaftliches Ereignis, das am besten in großer Runde zelebriert wird. Manche Neugierige, so erzählt Guanfeng, drehen bei der Erklärung „chinesisches Restaurant“ sofort wieder um. Dabei ist das, was im Soya Cosplay serviert wird, jenseits von all dem, was man meint zu kennen. Wichtig bei einem ersten Besuch ist schon mal die Regel: Jeder isst alles von allem! In unserem Fall waren es fünf gute Freunde, die sich elf Gerichte geteilt haben. Das ist von der Menge nicht viel, wenn man bedenkt, dass in anderen Restaurants der Nachbarschaft schon mal jeder ein Drei-Gänge-Menü ordert, aber von der Vielfalt der Aromen her ist es einmalig.
Es geht los mit Fischbällchen, die keine Bällchen, sondern eher Scheiben sind, in einer süßsauren Sauce mit Pilzen und viel Koriander aufgetürmt. Dann kommen langsam die einzelnen Gerichte, so zum Beispiel der gegrillte Schweinebauch. Eingepackt in einem Salatblatt, entfaltet er beim ersten Biss sein volles Aroma. Die Kalbsrippchen triefen von der BBQ-Sauce und sind butterweich, das Bettlerhuhn – der Name kommt von der Zubereitung chinesischer Bettler, die keinen Herd
besaßen und das Huhn samt Federn in Lehm einpackten und ins Feuer warfen – kommt angenehm scharf in kleinen Würfeln daher. Die Pekingente gibt es als Portion und nicht als ganzen Vogel, scheibchenweise wird sie in pergamentartigen Pfannkuchen samt Zwiebeln, Gurken und dunkler Sauce eingewickelt – und schmeckt genau so, wie sie soll. In den Chinese Burger sollte man mutig hineinbeißen. Das Ochsenbäckchen auf Rettich im fluffigen Hefebrötchen ist ein Geschmackserlebnis. Dazu gehören die Bambus-Pilzrollen gefüllt mit wildem Spargel sowie die Garnelenbällchen, die mit Kartoffelstroh ummantelt sind. Zum Essen gab es Vinho Verde zum Einstieg, danach wurden die Gläser mit einen Sauvignon Blanc Grassnitzberg gefüllt und zum Abschluss gab es als offenen Wein „Gemischter Satz 64 Müller Lump“. Erstaunlich auch der Service: Der Kellner zuckte weder mit der Wimper, noch zückte er den Notizblock, als die Gäste die Speisen zu Beginn wild durcheinander bestellten. Nichts lief schief, sogar das Wetter spielte mit. Ein selten perfekter Abend unter Freunden.
Text: Eva-Maria Hilker
Foto: Julie Nimke / HiPi
tip-Bewertung: Herausragend
Soya Cosplay Jägerstraße 58-60, Mitte, Tel. 20 62 90 93, Mo-Sa 12–24 Uhr, So 17–24 Uhr, Speisen 6 bis 18 Ђ, Softdrinks ab 3,20 Ђ, Bier (0,3 l) ab 4,20 Ђ, Wein (0,1 l) 4,20 Ђ, Fl. Wein (0,75 l) ab 29 Ђ
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