Kulturelle Aneignung, hierzulande eher umstritten, ist in Brasilien seit den Tagen des Modernisten Oswald de Andrade eine kreative Kulturtechnik, die Anthropophagia heißt, kultureller Kannibalismus, und kurz gesagt darauf hinausläuft, sich den „heiligen Feind“ kurzerhand „einzuverleiben“: Man nascht, was einem schmeckt, vom Büffet fremder Kulturen und Einflüsse, vermischt es mit den eigenen Traditionen und lässt aus dieser Bouillon etwas Neues, Unerhörtes entstehen. Der kulturell-politische Tropicalismo der 60er-Jahre um Popstars wie Gilberto Gil und Caetano Veloso ist ein Beispiel dafür. Der brasilianische Choreograf Ricardo de Paula folgt der anthropophagen Kulturtechnik seiner Heimat in „Carne“ („Fleisch“), um mit seiner Grupo Corpo Themen wie Begegnung, Widerstand und Veränderung tänzerisch und aus Schwarzer Perspektive umzusetzen. Kulturelle Aneignung in respektvoll. -icke
01.10.2024 - 16:38 Uhr
Bühne/Schauspiel