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Krabbeltiere

Invasive Arten in Berlin: Eingereiste von Nosferatu-Spinne bis Nilgans

In Berlin treiben sich einige invasive Arten von Tieren rum – von süß bis furchteinflößend. Zuletzt hat die Nosferatu-Spinne Schlagzeilen gemacht, kein Wunder, denn sie kann beißen und ist ganz schön groß und haarig. Wir stellen noch mehr invasive Tierarten vor, vom Waschbär über Nutria bis hin zu Mücken, die die Berliner Stadtnatur mehr oder weniger durcheinander bringen.


Nosferatu-Spinne

Invasive Arten in Berlin: Sie ist groß, haarig und kann beißen: die Nosferau-Spinne.
Invasive Art in Berlin: Die Nosferatu-Spinne ist groß, haarig und kann beißen. Foto: Imago/Panthermedia/Membio

Eine wahrhaft eindrucksvolle Spinne geistert in diesem Frühherbst 2022 durch die Berliner Medien und vor allem Twitter-Berlin: die Nosferatu-Spinne. „Kein Land sollte gleichzeitig mit Christian Lindner und der Nosferatu-Spinne zurechtkommen müssen“, twitterte etwa Internet-Star und Gag-am-Fließband-Schreiber El Hotzo. Nicht nur der Name der Spinne, der dem Stummfilm Nosferatu entlehnt ist, ist furchteinflößend, sondern auch ihr Erscheinungsbild.

Die Spinne, auf deren Rücken man angeblich das Antlitz des Nosferatu erkennen kann, ist mit ausgestreckten Beinen etwa fünf Zentimeter groß und von borstigen Haaren bedeckt. Irgendwann im Laufe des Sommers muss sie in Berlin angekommen sein, am 17. August hat sie das erste Mal jemand dem NABU Berlin gemeldet. In Süd- und Westdeutschland ist sie schon länger verbreitet, wegen des Klimawandels fühlt sie sich nun auch in Berlin wohl. Neben ihres Aussehens versetzt wohl hauptsächlich eines die Menschen in Angst: Die Spinne kann beißen. Der Biss ist zwar ungefährlich, tut aber ungefähr so weh wie der Stich einer Wespe.


Nutria

Invasive Arten in Berlin: Nutria sehen ein bisschen aus wie übergroße Meerschweinchen.
Nutria sehen ein bisschen aus wie übergroße Meerschweinchen. Foto: Imago/Gerard Bottino

Nicht alle Eindringlinge in die heimischen Gefilde sind eklig-haarig-langbeinig. Nutrias werden oft mit Bibern verwechselt – kein Wunder, schließlich sind sie ähnlich putzig. Im Gegensatz zu Bibern sind ihre Schwänze aber rund und nicht platt, außerdem haben sie hervorstehende Ohren. Besonders weit verbreitet sind Nutrias in NRW, auch in Leipzig sind die Tiere besonders häufig. In Berlin kommen sie nicht ganz so oft vor, aber doch oft genug, um Schaden an wichtigen Schilfbeständen anzurichten.

Nutrias stammen ursprünglich aus den gemäßigten und subtropischen Zonen Südamerikas. In Europa wurden sie wegen ihres Fells in Pelztierfarmen gezüchtigt. Als dann der Pelztiermarkt im 20. Jahrhundert nach und nach zusammenbrach, entkamen die Tiere oder wurden ausgesetzt – und begannen, sich entlang europäischer Wasserläufe, in Sümpfen und an Seen Höhlen zu bauen und sich zu vermehren.


Chinesische Wollhandkrabbe

Die Chinesische Wollhandkrabbe landet auch in Berlin auf dem Teller. Foto: Imago/Imaginechina-Tuchong

Die beeindruckend große Chinesische Wollhandkrabbe hat sich selbst Anfang des 20. Jahrhunderts in den Wassertanks großer Schiffe nach Deutschland geschmuggelt. Vor allem entlang der in die Nordsee mündenden Flüsse und Kanäle hat sie sich dann invasionsartig ausgebreitet und es natürlich auch bis Berlin geschafft. Hier kommt sie zum Beispiel in der Spree, im Tiergarten, aber auch im Engelbecken vor. Die Tiere bauen Grabengänge und tragen so zu übermäßiger Erosion von Ufern bei, außerdem essen die Omnivoren, wenn sie in großer Zahl vorkommen wie teils in Berlin, anderen Tieren die Nahrung weg – oder sie fressen sie gleich gegenseitig. Seit einigen Jahren verarbeitet sie das Unternehmen HolyCrab zusammen mit der Fonds- und Saucenmanufaktur J. Kinski zu einer würzigen Krabbenessenz.


Amerikanischer Sumpfkrebs

Invasive Arten: Auch der Amerikanische Sumpfkrebs gilt als Delikatesse.
Auch der Amerikanische Sumpfkrebs gilt als Delikatesse. Foto: Imago/Gottfried Czepluch

Auch dieser Invasor landet inzwischen auf den Tellern von Berliner Restaurantbesucher:innen: der Rote Amerikanische Sumpfkrebs. Der Krebs hat sich in Gewässern von Parks ausgebreitet, erstmals bemerkt wurden sie 2017. Die Stadt versucht, die Ausbreitung zu verhindern und lässt jährlich Tausende wegfischen. Begonnen mit der Jagd auf die Krebse hat Berliner Fischer Klaus Hidde, der 2018 die erste Fanglizenz bekam. Auch sie verarbeitet das Unternehmen HolyCrab, allerdings nicht zu Krabbenessenz, sondern als Alternative zu Fish’n’Chips, zu Fischbrötchen, zu einer Tomatensoße namens Frutti di Plage. Außerdem beliefern sie Restaurants mit der Delikatesse.


Waschbär

Waschbären sind genügsame Zeitgenossen. Foto: Blickwinkel/McFoto/R.Müller

Der Wachbär hat Berlin für sich entdeckt – und zwar nicht wie so viele Zugezogene auch, die Randgebiete, sondern den städtischen Raum innerhalb des Rings. Berlins Wildtierexperte Derk Ehlert schätzte den Bestand 2021 auf mehrere Hundert Tiere. Waschbären stammen ursprünglich aus Nordamerika. Nach dem Zweiten Weltkrieg entkamen einige der süßen Pelztiere aus einer Pelztierfarm in Wolfshagen in Brandenburg. Lange Zeit blieben sie in dem Gebiet, bis sie vor gut 20 Jahren einige nach Berlin kamen, seitdem breiten sie sich nahezu ungehemmt aus.

Waschbären haben keine hohen Ansprüche, sie brauchen keine Höhlen zum Schlafen und haben gelernt, Mülltonnen zu öffnen. Eigentlich jagen sie ihre Nahrung, in der Stadt aber sammeln sie hauptsächlich. Für die heimische Amphibien- und Vogelwelt können Waschbären zwar theoretisch eine Bedrohung darstellen, allerdings hat sich herausgestellt, dass sie sich entgegen aller Befürchtungen ohne drastische Folgen in unsere Ökosysteme einfügen. Inzwischen fühlen sie sich auch an extrem urbanen Orten wie dem Alexanderplatz wohl – oder bei dieser Berliner Tierärztin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Waschbären zu retten.


Marderhund

Invasive Arten in Berlin: Die süßen Marderhunde stammen aus Ostasien.
Invasive Arten in Berlin: Die süßen Marderhunde stammen aus Ostasien. Foto: Imago/Imagebroker/David & Micha Sheldon

Die japanische Mythologie beschreibt den Tanuki, wie der aus dem ostasiatischen Raum stammende Marderhund dort genannt wird, als freundliches Wesen, dem der Schalk im Nacken sitzt. Die Pelztierindustrie züchtet die Tiere, weil ihr Fell wie das des Waschbärs begehrt war und ist. Laut NABU setzten Menschen im 19. Jahrhundert, vor allem aber von 1929 bis 1955 an 44 Orten diesseits des Urals Tiere aus, um sie dann jagen zu können. Seitdem sind sie immer weiter westwärts gewandert. Wie Waschbären sind auch Marderhunde relativ anspruchslos, was ihre Unterkünfte angeht. Allerdings halten sie sich weniger im urbanen Raum, sondern eher in Flachlandgebieten mit Feldern, Kleingewässern, Sumpfwiesen und unterholzreichen Wäldchen auf. Wie der Waschbär gliedert sich auch der Marderhund gut in deutsche Ökosysteme ein.


Buchstaben-Schmuckschildkröte

Invasive Arten in Berlin: Die Buchstaben-Schmuckschildkröte nimmt heimischen Schildkröten die Sonnenplätze weg.
Invasive Arten in Berlin: Die Buchstaben-Schmuckschildkröte nimmt heimischen Schildkröten die Sonnenplätze weg. Foto: Imago/Blickwinkel

Zu der heimischen Europäischen Sumpfschildkröte – viele wissen vermutlich gar nicht, dass hierzulande überhaupt eine Schildkrötenart heimisch ist – hat sich eine weitere wild lebende Schildkrötenart gesellt: die Buchstaben-Schmuckschildkröte. Ursprünglich stammen diese Schildkröten aus Nordamerika, in Deutschland ist sie hauptsächlich um Ballungsräume verbreitet. Der Grund: Sie sind überhaupt erst in die heimische Natur gekommen, weil sie ausgebüxt sind oder ausgesetzt wurden. Wie viele andere invasive Arten macht sie heimischen Tieren das Leben schwer. Zum Beispiel nimmt sie den Sumpfschildkröten Sonnenplätze weg und dezimiert die Bestände von Amphibienlarven, Insekten und Wildpflanzen.


Sonnenbarsch

Sonnenbärsche gibt es in der Spree und in Nebengewässern. Foto: Imago/Blickwinkel

„Sonnenbarsche werden als potenziell invasiv eingestuft. Alle in Berliner Gewässern gefangenen Sonnenbarsche dürfen nicht zurückgesetzt werden und sind zu verwerten oder zu entsorgen“, schrieb das Fischereiamt 2019 laut Tagesspiegel einigen Fischern, die einen Sonnenbarsch in der Spree gefangen hatten. Sonnenbarsche stehen in Nahrungskonkurrenz zu heimischen Fischarten, außerdem reduzieren sie wichtiges Zooplankton. Dazu sind sie vermutlich zum Teil für verstärkte Eutrophierung verantwortlich, also eine übermäßige Anreicherung von Nährstoffen im Wasser, die letztlich zum Umkippen von zum Beispiel Seen führen kann. Wie viele andere invasive Arten kommt der Sonnenbarsch ursprünglich aus Nordamerika.


Mink

Invasive Arten in Berlin: Süß und nicht allzu zersötungswütig: der Mink. Foto: Imago/Roger Tidman

Was für Marderhund und Waschbär gilt, gilt laut NABU auch für den Mink: Er scheint keine Bedrohung für heimische Ökosysteme zu sein. Deswegen arbeitet der Bund daran, alle drei Arten aus dem Jagdrecht zu streichen. Die Geschichte des Minks in Europa und Deutschland ähnelt der des Waschbären. Der Mink, der auch als amerikanischer Nerz bezeichnet wird, wurde vor allem in den 1920er-Jahren in Pelztierfarmen gezüchtet. Natürlich schafften es einige Tiere – Überraschung – auszubüxsen und konnten seitdem vor allem in Norddeutschland Lebensräume finden. Minke mögen Sümpfe und leben dort, wo Wasserquellen schnell zu erreichen sind.


Nilgans

Invasive Arten in Berlin: Während des Brütens verteidigt die Nilgans ihr Territorium äußerst aggressiv. Foto: Imago/Blickwinkel/A. von Dueren

Ihr Name verrät, dass sie hauptsächlich vom afrikanischen Kontinent stammt: Die Nilgans gehört ebenfalls zu den invasiven Arten, die Berlin erobert haben. Zuerst kamen Nilgänse als Ziergeflügel im 18. Jahrhundert nach Europa, genauer: nach England. Auf dem europäischen Festland breiten sie sich seit den 1970er-Jahren von den Niederlanden aus aus. Nilgänse sehen hübsch aus, doch ihr Benehmen ist beizeiten problematisch. Wenn sie brüten, verhalten sie sich sehr territorial und vertreiben andere Entenvögel aus ihrem Revier.


Hyalomma-Zecke

Invasive Arten in Berlin: Hylomma-Zecken jagen ihre Opfer. Foto: Adam Cuerden/Wikimedia Commons/ Gemeinfrei

Mit einer Länge von bis zu zwei Zentimetern ist die Hyalomma-Zecke drei Mal so groß wie der Gemeine Holzbock, die hier heimische Zecke. Außerdem sind ihre Beine braun-gelb gestreift – für die Tierwelt typische Warnfarben. Während sich der Holzbock von Grashalmen oder Buschzweigen abstreifen lässt, wenn Wirte vorbeikommen, geht die Hyalomma-Zecke auf die Jagd. Hat der flinke Blutsauger erst einmal ein Opfer ins Visier genommen, verfolgt er es bis zu 100 Meter weit. Die Zecken können das Krim-Kongo-Fieber und das arabisch-hämorrhagische Fieber übertragen. Beide Viruserkrankungen verursachen hohes Fieber, starke Blutungen und können tödlich enden. Seit 2015 breitet sich die Zecke, die fünfmal größer ist als heimische Zeckenarten, in Deutschland und damit auch Berlin aus.


Tigermücke, Japanische Buschmücke, Koreanische Buschmücke

Invasive Arten in Berlin: Tigermücken können dem Menschen wahrhaft gefährlich werden. Foto: James Gathany, CDC/Wikimedia Commons/Gemeinfrei

Als hätten wir mit unseren mehr als 50 heimischen Stechmückenarten nicht schon genug Ärger, ist seit einiger Zeit ein asiatisches Trio auf dem Vormarsch: die Asiatische Tigermücke, die Japanische Buschmücke und die Koreanische Buschmücke. Die gefährlichste der drei Mückenarten ist die schwarz-weiß gemusterte Tigermücke. Sie zeichnet sich durch ihre Aggressivität und Vielseitigkeit aus. Über 20 Krankheitserreger kann sie aufnehmen und übertragen. Da sie mehrere Menschen hintereinander sticht, ist sie eine unberechenbare Virenschleuder.

Die Asiatische Tigermücke nähert sich ihrem Opfer nahezu lautlos und sticht blitzschnell zu. Und das sogar am helllichten Tag! Dabei geht sie äußerst penetrant vor und lässt sich selbst von Kleidung nicht hindern.

Der Stich verursacht Schwellung und Juckreiz. Soweit normal. (Lebens)gefährlich kann das Biest werden, wenn es Erreger des Dengue-, Chikungunya- und Gelbfiebers oder des berüchtigten Zika-Virus in sich trägt. Ihre beiden Kollegen sind zwar nicht ganz so übel drauf, aber können Viren des West-Nil-Fiebers, Gehirnentzündungen oder Fadenwürmer übertragen. 2022 wurde die Tigermücke erstmals in Berlin gesichtet, in Süddeutschland gibt es sie schon länger.


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In Berlin leben mehr Tiere, als manche denken. Hier kann man außerhalb von Zoo und Tierpark Tiere in Berlin beobachten. Auch weil eingewanderte Arten sich ausbreiten, werden andere verdrängt. Diese Tierarten sind in Berlin bedroht. Im Zoo sind Tiere sicher, aber eben auch eingesperrt. Das hat einige Zoobewohner aber nicht davon abgehalten, richtig berühmt zu werden. Hier sind 12 berühmte Zoo-Tiere aus Berlin – Knut, Katjuscha, Bobby & Co. Noch mehr Geschichten über die Stadt, auch über ihre wilde Seite, gibt’s in unserer Stadtleben-Rubrik.

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