Freizeit

Chillen mit den Kids

Es muss nicht zwingend der Spielplatz sein, wo Kinder sich vergnügen, während ihre Eltern sie hüten. Urbane Gärten, traditionelle Freiluftlokale oder hippe Outdoor-Locations sind oft die besseren Orte. Dort kriegen auch die Großen gute Laune und können ihre Freizeit genießen

Holzmarkt, Foto: Saskia Uppenkamp

Es sind die ersten warmen Tage des Jahres. In der südlichen Ecke des Holzmarktes, dem Nachfolger der legendären Open-Air-Party-Location Bar 25, tummeln sich einige Familien mit ihren Kindern in der sogenannten „Pampa“, einem aufwendig aus Holzbalken gezimmerten Plateau mit Blick über die Spree. Auf dem Terrain mit großzügig angelegten Sitzflächen führen verwunschene Wege vorbei an Hochbeeten, einer Feuerstelle und an dem mit Rindenmulch bedeckten Ufer, das das Areal sanft in die Spree übergehen lässt. Einige der Eltern stehen dort mit ihren Kindern an der Hand und werfen Steine ins Wasser, während sie die Kleinen beim Schwungholen vor dem Abrutschen an der Spreeböschung schützen. Andere Eltern liegen entspannt mit einem Drink in der Hand auf den hölzernen Sonnenliegen. Sie plaudern mit Freunden, genießen den Blick auf das gegenüberliegende Ufer und immer mal wieder steht jemand auf, um zur Bar zu schlendern oder um die Kleinen zu dem anliegenden Spielplatz und in den Naschgarten zu begleiten. Aus den Lautsprechern ertönt warmer, elektronischer Sound mit einem orientalischen Touch. Den Erwachsenen und auch den Kindern scheint es hier sichtlich gut zu gehen.

Der Holzmarkt ist ein Paradebeispiel für ein paar nette Berliner Orte, an denen sich nicht nur Erwachsene, sondern auch deren Kinder wohlfühlen. Es sind Szenetreffs wie der besagte Holzmarkt. Oder urbane Gartenprojekte, die, wie das Himmelbeet im Wedding, Groß und Klein zum Mitmachen – und zum Relaxen – einladen. Oft aber sind es auch die altbekannten, gleichermaßen unprätentiösen wie beliebten Biergärten. Zu frisch Gezapftem lassen sich Erwachsene beim Plausch die Nase von der Sonne kitzeln, während ihre Kinder mit hier schnell gewonnenen Freunden im Sandkasten spielen. Oder über die Kieswege rennen – das knirscht so schön unter den Füßen. Wobei neben dem – am liebsten großzügig vorhandenen – Platz die hohe Dichte aufgeschlossener, unkomplizierter Menschen definitiv die wichtigste Komponente der familienfreundlichen Orte ist. Leute, die mit ihren eigenen Kindern kein nerviges Bohei veranstalten. Und die nicht gleich die Nase rümpfen, wenn die Kids der anderen gerade mal „nicht richtig funktionieren“. Und vielleicht, versehentlich, ein gefülltes Trinkglas umschmeißen.

Haben wir verlernt, dass der Nachwuchs eigentlich ganz normal dazu gehört? Und dass Erwachsene mehr sind, als nur die Anhängsel ihrer Wunschkinder? Mit Förderungs- und Bespaßungsverpflichtung fast rund um die Uhr? Der Blick auf einen gängigen Kinderspielplatz zeigt, was gemeint ist. Auf den Sitzbänken: gelangweilte bis apathische Eltern, die darauf warten, dass ihre Kinder endlich „fertig gespielt“ haben. Oder die Überengagierten, die ständig aufspringen, ihren Kindern bei den kleinsten Miseren zu Hilfe eilen – und deren Terrain sichern: Auf dass niemand dem Nachwuchs den Anspruch auf die Schaukel oder die Sandförmchen streitig macht.

Yaam, Foto: imago/PEMAX

Eltern, die es an sonnigen Nachmittagen ins Yaam zieht, den „Young African Art Market“, einen Beachclub an der Schillingbrücke in Friedrichshain, haben gewisse Gemeinsamkeiten: Sie mögen schwarze Musik, den Reggae oder Afro-Beat, der auf dem Freigelände aus den Lautsprechern wabert. Und auch die multikulturelle Atmosphäre. Dass es hier mit dem Kids Corner einen eigenen Bereich für ihren Nachwuchs gibt, schafft weitere Übereinstimmungen. Und erleichtert den Kontakt zu anderen Eltern, die irgendwie ähnlich ticken. Sowohl die Kleinen, als auch großen Besucher verbringen hier eine entspannte Zeit. Mit heißen und kalten Getränken. Und mit frisch zubereitetem Wolof-Reis, wenn sich der Hunger meldet. Oder mit gebratenen Plantains, Kochbananen, die es in den Straßenküchen hier ebenfalls gibt.

Ganz ähnlich harmonisch: Das Setting, das sich an der Ecke Ruheplatzstraße/Schulstraße im Wedding Himmelbeet darbietet. An den hohen Zäunen um das Urban-Gardening-Gelände ranken sich schützend Pflanzen empor. Dennoch ist das Terrain von der Ruheplatzstraße aus für jedermann und -frau frei zugänglich. Hinter den Hochbeeten, auf einer selbstgebauten Bühne aus alten EU-Paletten, steht HipHopper Matondo und rappt seine Reime ins Mikro. Von der Theke der Gastro-Laube aus – sie wurde ebenfalls aus Paletten gebaut – lugen Wartende neugierig in Richtung Bühne. Im „Wohnzimmer“, wie das Himmelbeet von Anwohnern liebevoll genannt wird, ist heute Saisonstart. Den Kindern, die mit ihren Laufrädern hier ungefährdet zwischen den Hochbeeten herumjagen oder sonstwie umherwuseln, ist dieser offizielle Termin aber schnuppe. Hauptsache, sie können den Sandkasten stürmen. Und am Lagerfeuer Stockbrot backen.

Lisa, eine junge Mutter, die in der Gegend wohnt, besucht das Himmelbeet mit ihrem Kind regelmäßig. „Manchmal entspanne ich hier nur einfach mit meinem Sohn, er bei einer Apfelschorle und ich bei einem Bier“, sagt sie. „Den anderen Tag verbringen wir mit Harke und Schippe bei den Beeten und kommen mit dem schönen Gefühl, etwas gepflanzt zu haben, abgekämpft nach Hause. Manchmal gibt es aber auch Tage, an denen ich mich mit den anderen hier verquatsche, während mein Sohn versucht, mit seinem Bagger etwas umzugraben. Oft kommt das alles ganz ungeplant.“

Sehr spontan geht es auch in der Neuköllner Hasenschänke zu, einem, naja, Biergarten. Jedenfalls mit einem von viel Freifläche umrandeten Pavillon aus den 1950er Jahren, der einen Kiosk mit Getränkeausschank und Imbiss beherbergt. Und der mitten im Volkspark Hasenheide liegt. Auf dem Weg zum Spielplatz „1001 Nacht“ – oder weil sie mit ihren Kids einfach mal raus ins Grüne wollten – machen hier Eltern mit Kind und Kegel oft spontan, dennoch regelmäßig und gerne Halt. Die Preise am Imbiss-Kiosk sind familienfreundlich. Was auch viele Neuköllner Alteingesessene schätzen, von manchen hier scherzhaft „Kiezadel“ genannt. Sie mischen sich in die Warteschlange an der Theke, um hier die obligatorische Boulette mit Kartoffelsalat und natürlich eine Pulle Bier zu erwerben. Ein paar Kinder, die die große, mit ein paar Plastikstühlen und -tischen ausgestattete Fläche zum Herumrennen nutzen, kann hier niemanden aus der Ruhe bringen.

Foto: Himmelbeet

Es ist das typische Berlin, das den Eltern und ihren Kindern diese unkomplizierten Treffpunkte und Freiräume bietet. Den Pratergarten im Prenzlauer Berg etwa. Den Südblock am „Kotti“, mit seinen jungen und alten, deutsch-migrantisch-schwul-lesbischen Gästen. Oder eben temporäre Orte, wie die Prinzessinnengärten am Kreuzberger Moritzplatz, ebenfalls ein Urban-Gardening-Projekt mit Mitmach-, Verweil- und Verköstigungsmöglichkeiten. Und mit dem in Berlin leider ganzstädtischen Dilemma, dass Immobilienentwickler auf dem Gelände ebenfalls gerne ernten würden: Die Gewinne, die sich mit einer Bebauung erzielen ließen.
Zwar haben die Prinzessinnengärten auf dem Neuköllner St. Jacobi Friedhof inzwischen eine zweite Heimat gefunden. Das Weddinger „Wohnzimmer“, das Himmelbeet, muss 2020 aber voraussichtlich weichen. Die Oliver-Kahn-Stiftung will hier ein Sportzentrum für unterprivilegierte Kinder bauen. Eine Ersatzfläche haben die Macher*innen vom Himmelbeet noch nicht entdeckt. Einen neuen Standort zu finden, wird wegen des Gentrifizierungsdrucks, der auch im Wedding an Rasanz zunimmt, zunehmend schwieriger. „Ich hoffe, dass sich hier noch eine Lösung findet“, sagt ein Vater. Wo er Recht hat, hat er Recht: Remmi Demmi rund um selbstgezogene Radieschen bleiben eben attraktiver als Wache am Bällebad zu schieben.

Der Text stammt aus der Edition Familie in Berlin

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