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Kindertheater Coq au Vin in Kreuzberg: Ein Geheimtipp in Nöten

Mit seiner Mischung aus Theater, Zirkus und Komik hat sich das Kreuzberger Kindertheater Coq au Vin eine treue Fangemeinde aufgebaut. Das junge Publikum freut sich über Stücke wie „Der Dieb im Zirkus“ oder „Der furiose Küchenzirkus“. Doch durch die Corona-Krise muss das Coq au Vin um seine Existenz bangen.

Sebastian Matt und Thomas Endel (r.) im Kindertheater Coq au Vin. "Der furiose Küchenzirkus" heißt dieses unterhaltsame Stück. Foto: Klaus Loch
Sebastian Matt und Thomas Endel (r.) im Kindertheater Coq au Vin. „Der furiose Küchenzirkus“ heißt dieses unterhaltsame Stück. Foto: Klaus Loch

Ist hier was los! 300 Kinder verfolgen den Schauspieler und Akrobaten Thomas Endel durch das ganze Schulgebäude, so wie Emil und die Detektive einst den Langfinger Grundeis durch Berlin. Endel, Kopf des Kindertheaters Coq au Vin, hat gerade im Stück „Der Dieb im Zirkus“ einen Eierdieb gespielt. Doch mit dieser Eigendynamik hat selbst Endel nicht gerechnet. Für die Kids ist er der wieder flüchtige Gauner, sie bleiben ihm beständig auf den Fersen, lassen sich nicht abschütteln.

Das Kindertheater Coq au Vin ist für seine interaktiven Stücke bekannt und beliebt, in denen stets viel Raum für Ideen und Mitspiel der blutjungen Zielgruppe zwischen drei und zehn Jahren ist. Doch Endel und sein Team wissen auch, wie man das fein austariert und die Zuschauer-Rasselbande im Zaum hält, damit sie die Aufführung nicht vor lauter Begeisterung sprengt.

Bei jener Grundschulvorstellung aber gerät es dann doch etwas aus dem Ruder. 300 kleine Watsons wollen dem tollpatschigen Detektiv Jonathan (Jochen Falck), einem sehr komischen Sherlock Holmes, allzu gerne bei der Fahndung helfen. Und sie akzeptieren nicht, dass Endel in Wahrheit gar kein Dieb auf der Flucht ist.

Coq au Vin macht Zirkus im Theater im Zirkus

„Kinder haben eine unglaubliche Unmittelbarkeit“, sagt Endel. „Es ist immer wieder faszinierend zu erleben, wie ausgeprägt ihre Fantasie ist und wie hautnah sie die Vorstellung miterleben.“ Meist allerdings muss Endel nicht vor ihnen flüchten.

Die Flucht vor 300 Grundschulkindern bleibt witzige Episode.„Wenn man die Geschichten so gestaltet“, erzählt er, „dass die Kinder mitagieren können, dann entsteht eine besondere Atmosphäre.“

„Die große Zaubershow des Ala Labama“ ist eines der 13 originellen Stücke im Repertoire vom Theater Coq au Vin. Foto: Michael Handelmann
„Die große Zaubershow des Ala Labama“ ist eines der 13 originellen Stücke im Repertoire vom Theater Coq au Vin. Foto: Michael Handelmann

Und in dieser Art von Storytelling hat das Kindertheater Coq au Vin inzwischen einige Erfahrung. 13 Inszenierungen hält es im Repertoire, alles meist Zwei-Personen-Stücke, bei denen Akrobatik zwar ein dramaturgisches Mittel ist, aber nie im Vordergrund steht. Freilich spielen sie in Titeln wie „Der furiose Küchenzirkus“ oder  „Die große Zaubershow des Ala Labama“ mit der Welt des Zirkus, doch im Zentrum steht stets die mit viel Witz, Spielfreude und Raum für Interaktion erzählte Geschichte.

Kindertheatern wie Coq au Vin fehlt die Lobby

„Wir kommen ursprünglich aus der Artistik“, sagt Coq au Vin-Chef Endel, der von Haus aus staatlich geprüfter Jongleur ist. „Unser Slogan lautet ja auch ,Zirkus im Theater im Zirkus‘. Zirkus ist ein Stilmittel und das unterscheidet uns definitiv von anderen Kindertheatern.“ 

Mit dieser Mischung sitzen sie jedoch ein bisschen zwischen den Stühlen, auch was die Förderungsmöglichkeiten angeht. „Wir fallen durch die Raster. Wir sind kein reines Schauspiel, kein Puppenspiel, kein Musiktheater“, sagt Endel. „Wir haben keine Lobby, keine Interessensgruppe.“ So gibt es auch jetzt in der Corona-Krise keine Förderung für Coq au Vin.

„Wir sind immer noch ein Geheimtipp, sehr populär, aber vor allem durch Mundpropaganda bekannt“, sagt Endel, der bei Coq au Vin Intendant, Dramaturg, Spieler und Booker in Personalunion ist. „Wir haben keine Kapazität für Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung, aber das Theater konnte sich vor Corona selbst tragen. Doch nun müssen wir ums Überleben kämpfen.“

Das Coq au Vin kann kaum kostendeckend arbeiten

Im Oktober startete Coq au Vin vorsichtig wieder den Spielbetrieb, ohne Kita-Vorstellungen und vorerst nur an Wochenenden, und natürlich unter den eingeschränkten Bedingungen, die die Corona-Verordnungen diktieren. Kostendeckend ist das kaum. „Mir ist aber auch wichtig, meinen Künstlern wieder eine Verdienstmöglichkeit zu geben“, sagt Endel. „Denen ist ja auch alles weggebrochen. Leider verweist die Politik uns Künstler und Solo-Selbstständige nur auf ALG II, was aber völlig untauglich für uns ist.“ 

Mit „Überraschung! Der Zirkus ist da!“, einem weiteren witzigen Detektivstück, begann am 4. Oktober testweise die Saison und damit der Versuch, dieses Familientheater zu retten. Es wäre aber auch zu schade, wenn dieses muntere Artistentheater dem Virus zum Opfer fallen würde.


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