Dass mit meinem Kind etwas nicht stimmt, fiel mir gleich nach der Geburt auf: Bei der Rückbildungsgymnastik war vorgesehen, dass die Babys zufrieden neben der Mutter auf der Matte liegen, während diese ihre Übungen macht. Tatsächlich blickten alle Babys versonnen an die Decke – nur meines schrie wie am Spieß und war durch nichts zu beruhigen. Irgendwann bekam der freundliche Zuspruch der Trainerin einen hasserfüllten Unterton. Wir packten unsere Sachen und trollten uns.
Auch der Früh-Englisch-Kurs, der uns später in der Kita wortreich angedient wurde, endete im Fiasko. Statt dass sie, wie im Curriculum vorgesehen, voller Inbrunst erste englischsprachige Liedchen schmetterte, weigerte sich meine Tochter verstockt, auch nur eine einzige Strophe zu singen. Ähnlich im Sande verlief ein Versuch zur musikalischen Früherziehung: Während die anderen Kinder dem Vortrag des Lehrers zur Funktionsweise der Instrumente interessiert lauschten, nutzte meine Tochter die Gelegenheit, um laut singend herumzurennen. Entnervt bot der Lehrer schließlich an, die vorausgezahlte Kursgebühr zurückzugeben – Hauptsache, meine Tochter verschwände aus seinem Unterricht. Irgendwann beschloss ich, ebenfalls nicht mehr nach den Regeln moderner Pädagogik zu funktionieren: Obwohl noch im Grundschulalter, erlaubte ich meiner Tochter, bis weit nach Mitternacht die Fernsehübertragung des „Eurovision Song Contest 2010“ zu sehen. Meine Tochter war von der Siegerin Lena überwältigt, knackte ihre Spardose und kaufte sich Lenas CD. Schon nach kurzer Zeit beherrschte sie die englischen Texte fast fehlerfrei. Kürzlich habe ich sie sogar erste Lena-Melodien frei auf dem Keyboard ihrer Schwester improvisieren hören. Irgendwas läuft bei uns falsch.
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