Wir alle wünschen uns eine Kindheit voller Leichtigkeit für unsere Kinder. Doch wie viel Unbekümmertheit ist noch verantwortungsvoll – wenn jedes Smartphone zur versteckten Kamera werden kann und Bilder unserer Kinder in dunklen Ecken des Internets landen?

Ein kleines Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, klettert vor meinen Augen die bunte Sprossenwand des Spielplatzes hinauf. Ohne es zu wissen, steht es dabei im Zentrum neugieriger Blicke. Ich schaue hinüber zur Mutter, die zwischen dem Buddelzeug im Sand sitzt.
„Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen?“, spreche ich sie an. „Sehen Sie das nicht als Risiko, dass die Kleine hier so offenherzig herumläuft? Hier kann sie doch jeder beobachten und womöglich sogar Aufnahmen machen.“ Ich frage nicht, um zu provozieren oder zu bewerten. Ich frage, weil ich verstehen möchte, wie andere Eltern mit dieser Unsicherheit umgehen. Ich bin selber Mutter eines zweieinhalbjährigen Kleinkindes und weiß, wie schwer es manchmal ist, gefühlt die richtige Entscheidung zu treffen. Vielleicht bin ich übervorsichtig, wenn mich angesichts der fast unbekleideten Kinder ein ungutes Gefühl beschleicht. Oder ist meine Vorsicht angebracht? Das kleine Mädchen ist jedenfalls kein Einzelfall: An diesem Sommertag in Kreuzberg toben etliche Kinder kleiderlos oder nur halb bekleidet durch den Sand. Aus der Wasserpumpe plätschert ein breiter Strahl, kleine Füße hüpfen durch den Matsch.
Obwohl die Frau eine dunkle Sonnenbrille trägt, erkenne ich ihr Unbehagen. „Naja, also …“, sagt sie, während sie sich nervös ihre Caprihose zurechtzupft, „wenn da jetzt wirklich einer Aufnahmen macht und die zum Beispiel online stellt, dann erfahre ich das ja nicht – also mache ich mir da nicht wirklich Sorgen.“ Doch ihre Körpersprache sagt etwas anderes. Die Frage ist ihr unangenehm. Und ihre Antwort scheint auch sie selbst nicht wirklich zu überzeugen.
1.300 Bilder im Netz – noch vor dem 13. Geburtstag
Mir geht es nicht darum, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Ich möchte nur daran erinnern: Kinder nackt spielen zu lassen kann als Ausdruck einer liberalen Haltung gemeint sein – doch in einer modernen Welt mit realen Risiken lohnt es sich, auch diese Entscheidung neu zu überdenken. In unseren digitalisierten Zeiten, in denen jeder Moment in einer Zehntelsekunde festgehalten werden kann, in denen Smartphone-Kameras funktionieren wie ein Superteleobjektiv, in denen jede:r mit der richtigen Software Fotos verbreiten, verfremden oder animieren kann – lohnt sich da wirklich das bedingungslose Festhalten an der Idee kindlicher Unbeschwertheit inmitten tausender fremder Blicke?
Damit Bilder das Interesse von Pädokriminellen wecken, müssen sie zwar keine unbekleideten Kinder zeigen. Mit Hilfe von KI und anderer Bildbearbeitungssoftware kann heute nahezu jede:r – ganz ohne besondere Technikkenntnisse – ein harmloses Foto beliebig verändern oder verfremden. Vielleicht ist es trotzdem an der Zeit, uns neu zu fragen: Was wollen wir wirklich von unseren Kindern zeigen, wenn wir nahezu keinerlei Kontrolle mehr darüber haben, wer zuschauen könnte? Und: Gerade weil Technologien wie KI inzwischen nahezu alles möglich machen – sollten wir daher einfach alle Kontrolle abgeben?
Fotos unserer Kinder gelangen ohnehin schneller ins Netz, als uns lieb ist. Jugendschutz.net schätzt, dass im Schnitt 1.300 Fotos eines Kindes online kursieren, bevor es 13 Jahre alt ist. Teilweise hochgeladen von den eigenen Eltern, ohne jede Kontrolle darüber, wo die Aufnahmen letztlich landen. Zudem zeigen Recherchen von Panorama und STRG_F im Auftrag der ARD: Mindestens jedes vierte Bild von Kindern im Darknet stammt ursprünglich von Instagram oder Facebook – oft unbearbeitet, oft harmlos wirkend, oft aufgenommen beim Spielen im Garten oder eben auf dem Spielplatz.

Es braucht Vorsicht, auch wenn wir gefühlt keine Kontrolle haben
Ich kann gut nachvollziehen, dass man Bilder seines Nachwuchses online teilen möchte – weil man stolz ist, weil man schöne Momente festhalten und mit anderen teilen will. Dennoch ist es sinnvoll, Kinder dabei nur von hinten zu zeigen (immer angezogen und möglichst nicht in Bademode) oder ihre Gesichter mit einem Emoji oder durch Unschärfe unkenntlich zu machen. Expert:innen raten seit Langem zu diesem Vorgehen – nicht aus Panik, sondern um es potenziellen Tätern nicht unnötig leicht zu machen.
Es ist für mich genauso nachvollziehbar, dass einige Eltern ihren Nachwuchs auch mitten in der Stadt hüllenlos spielen lassen möchten. Kinder entwickeln erst ein Verhältnis zu ihrem Körper, sie entdecken die Welt mit allen Sinnen. Und das Gefühl von Freiheit, das mit Barfußlaufen und Kleiderlosigkeit einhergeht, kann laut Expert:innen dabei helfen, ein gesundes Körperbild zu entwickeln. Mitten in der Großstadt Berlin ist das Risiko jedoch gefühlt einfach zu groß.
Natürlich ist es unmöglich, unsere Kinder vor allen Gefahren zu schützen – gerade in Bezug auf die schier endlosen Möglichkeiten, die durch moderne Technologie entstehen. Und auch wenn sich die meisten Sorgen am Ende als unbegründet herausstellen oder wir gefühlt eh keine Kontrolle haben – müssen wir uns die unbequeme Frage nach Richtig oder Falsch immer wieder stellen. Es geht nicht darum, Ängste zu schüren oder Leichtigkeit zu verbieten. Sondern darum, kindlichen Entdeckergeist mit dem besten Schutz zu vereinen, den wir unseren Kindern bieten können – besonders in einer Welt, in der digitale Spuren viel länger bestehen bleiben als kleine Fußabdrücke im Sand.
Gemeinsam mit dem Fahrrad, Auto oder Zug ans Meer: Wir kennen die bequemsten Wege von Berlin an die Ostsee. Spiel und Spaß mitten in Berlin: Kreuzberg hat für Kinder viel zu bieten! 12 Orte zum Toben und Staunen. Und für die unzähligen schönen Tage im Berliner Sommer stellen wir euch die schönsten Spielplätze Berlins vor. Open-Air-Termine für die ganze Familie: Das Luftschloss verspricht einen himmlischen Sommer auf dem Tempelhofer Feld. Noch auf der Suche nach Last-Minute-Ideen für die Sommerferien? Diese Feriencamps lassen den Nachwuchs Schule UND Eltern vergessen. Für noch mehr Inspiration als Familie in Berlin werft einen Blick in unsere Rubrik „Familie“.


