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Neu im Kino

Die Filmstarts der Woche: Von der „Känguru-Verschwörung“ bis zu „Evolution“

Diese Woche drängt sich einmal ein Film aus Deutschland nach vorn: Zwei Jahre, nachdem der erste „Känguru“-Film in die Covid-Klemme geriet, kann die Fortsetzung „Die Känguru-Verschwörung“ (Marc-Uwe Kling führt selbst Regie!) eine Woche des Kinosommers so richtig für sich reklamieren. Daneben starten nämlich hauptsächlich kleinere Autorenfilme wie der ungarische „Evolution“ oder der spannende „Mit zwanzig wirst du sterben“ aus dem Sudan. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick

Die Känguru-Verschwörung

„Die Känguru-Verschwörung“ von Marc-Uwe Kling. Foto: X Verleih

COMEDY Das Känguru ist weit gesprungen. Vom Hit der Berliner Lesebühnen über Buch- und Hörbuch-Erfolge bis zur ersten Verfilmung kurz vor der Pandemie und nun dem Sequel, bei dem Marc-Uwe Kling, Schöpfer des Känguru-Universums, erstmals selbst Regie führt und ein komplett neues Drehbuch dazu schrieb. Heraus kam ein rasant-chaotischer Roadtrip, auf dem sein Alter-Ego Marc-Uwe und das titelgebende Beuteltier im Auftrag der Vernunft unterwegs sind. Denn die Mutter der angebeteten Nachbarin Maria ist ins Lager der Klimaleugner gedriftet. Gelingt es den beiden, sie auf einer Querdenker-Konferenz vom Gegenteil zu überzeugen, gibt es ein romantisches Date mit Maria in Paris. Soweit der dramaturgische Rahmen der politisch gefärbten Komödie.

Humor kommt als Waffe gegen Verschwörungstheorien zum Einsatz. Ehrenvoll, aber auch sperrig. Ein erhobener Zeigefinger ist nicht immer leicht zu verdauen, schon gar nicht inmitten einer Klamauk-Orgie. Denn gerade der Klamauk ist das Beste an der „Känguru-Verschwörung“. Der Kurzschluss aus smarten Pointen und absurden Situationen gelingt stellenweise so gut, dass man die Botschaft verdrängt. Natürlich hat Kling einen Punkt, wenn er den Aluhut-Propheten Adam Krieger verlacht, teuflisch von Benno Fürmann in fieser Perücke verkörpert. Das Lächerlichmachen ist eine heilsame Reaktion, die vielleicht, vielleicht doch den Blick für die Probleme schärft. So die gut gemeinte Hoffnung. Doch „große Themen“ lassen sich geschmeidiger im Mainstreamkino verarbeiten, und gute Absichten können leider auch nervig sein. Ein Interview mit Marc-Uwe Kling haben wir hierJacek Slaski

D 2022; 101 Min.; R: Marc-Uwe Kling; D: Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Petra Kleinert; Kinostart: 25.8.

Evolution

„Evolution“ von Kornél Mundruczó. Foto: Port-au-Prince

DRAMA Auschwitz ist jetzt im wesentlichen ein Menschenleben her. Oder man kann auch anders zählen: zwischen 1945 und 2020 liegen 75 Jahre, das sind drei Generationen. In dem Film „Evolution“ von Kata Wéber und Kornél Mundruczó entsprechen diese drei Generationen drei Episoden. In der ersten betreten Männer in Uniform einen Raum, den wir als ehemalige Gaskammer begreifen sollen. Sie schrubben, scheuern, spülen, sie machen sich an den Mauern und am Boden zu schaffen, aber sie kriegen den Raum nicht so sauber, wie sie sich das vielleicht vorstellen wollten. Im Gegenteil: aus den Fugen kommen die Reste von Haaren, immer dicker und verfilzter werden die Stränge, es ist zum Verrücktwerden.

Doch dann gibt es eine erlösende Wende: so unwahrscheinlich das klingen mag, man findet ein Kind. Ein lebendiges Wesen ist dem Morden entkommen, und verlässt nun das Reich der Baracken und der Vernichtung. Nach diesem stark symbolischen Prolog (das Kind heißt auch noch Éva!) folgen zwei längere Teile, die in Berlin spielen und gedreht wurden, und in denen wir wohl die „Evolution“ erkennen sollen, die sich dieser Rettung verdankt. Zuerst geht es um Léna, die Tochter von Éva, die zu ihrer Mutter kommt, um sie für eine öffentliche Ehrung abzuholen. Im dritten Teil schließlich geht es um Jonas, den Sohn von Léna und somit um den Enkel von Éva, um einen Schüler, einen sensiblen Außenseiter, der die Identitätsfragen seiner Familie weiterträgt: „sag du mir doch, was ich bin“, fleht er einmal seine Mutter an.

Kata Wéber (Buch) und Kornél Mundruczó (Regie) wollen deutlich auf sehr grundsätzliche Fragen hinaus, und suchen dafür nach einer offenen Form: Was heißt es, mit diesem Erbe der Schoah zu leben? Ist das überhaupt denkbar? Und kann man es den Nazis und ihren ungarischen Helfern überlassen, zu definieren, wer jüdisch ist? Denn Éva ist sich mit den mehrfachen gefälschten Geburtsurkunden ihrer Mutter gar nicht mehr sicher, wer sie ist, oder sie will jedenfalls nicht im hohen Alter auf etwas festgelegt werden, wovor sich ihre Mutter in Sicherheit bringen wollte.

Mit dem problematischen Begriff der „Evolution“ soll es vielleicht daraus hinauflaufen, dass sich ein allgemeinerer Humanismus gegenüber dem Rassismus durchsetzen könnte. Das wäre jedenfalls eine Deutung, die sich von Jonas her nahelegen würde. Insgesamt ein reichlich merkwürdiger Film, eher ein Konstrukt als eine Menschenbeobachtung. Bert Rebhandl

Ungarn/D 2021; 97 Min.; R: Kornél Mundruczó; D: Lili Monor, Annamária Láng, Goya Rego; Kinostart: 25.8.

Mit 20 wirst du sterben

„Mit 20 wirst du sterben“ von Amjad Abu Alala. Foto: missingFILMS

DRAMA In der mystischen Ekstase geraten manchmal die Dinge durcheinander. So kommt Mozamil, ein Neugeborener in einem Dorf im Sudan, zu einer zweifelhaften Prognose: Er wird nur zwanzig Jahre alt werden, da sind sich alle sicher. Die Eltern haben ihn nach der Geburt zu einem Sufi-Heiligtum gebracht, dort wurde einem Derwisch beim Rezitieren schwindlig, die Zahl 20 brachte er noch heraus, das reichte, um dem kleinen Mozamil das Schicksal vorauszusagen. Man könnte das natürlich auch locker nehmen, aber so sind die Verhältnisse nicht in dem Dorf zwischen dem Weißen und dem Blauen Nil, in dem der Film „Mit 20 wirst du sterben“ von Amjad Abu Alala spielt. Es ist eine dicht gewobene soziale Welt, in der es wenig Freiräume gibt. Mozamil wächst auf mit dem Stigma eines Außenseiters, halb Heiliger, halb Unberührbarer.

Sein Vater verlässt die Familie, um sich als Arbeitsmigrant durch die afrikanischen Länder südlich der Sahara zu schlagen. Die Mutter versucht, Mozamil so gut wie möglich zu beschützen. Der durchläuft aber auch seine eigene Bildungsgeschichte. Lesen lernt er mit dem Koran, und dann tut sich ihm auch noch eine andere Welt auf, als er einen Mann namens Sulaiman kennenlernt, der früher in der Hauptstadt Khartum gelebt hat, und der ihn mit den Freiheiten bekannt macht, die er von dort kennt: Alkohol, Frauen, und das Kino (im Sudan bedeutet das: die neorealistischen Klassikers des Ägypters Youssef Chahine).

Vieles an „Mit 20 wirst du sterben“ ist vielleicht ein wenig thesenhaft deutlich erzählt, zugleich aber lernt man in diesem Fundstück aus dem im Kino kaum vertretenen Sudan eine wenig bekannte Welt kennen: eine Landschaft mit faszinierender Architektur, eine Ausprägung des Islam, die erkennen lässt, dass sich diese Weltreligion unmöglich auf einen Nenner bringen lässt, sondern tatsächlich an jedem Ort eine eigenen Kultur ausgeprägt hat. Abu Amjad Alala hat bei seinem Filmprojekt von guten Verbindungen in die Vereinigten Arabischen Emirate profitiert. Die reichen Kleinstaaten am Golf mischen im Sudan in der Politik kräftig mit, allerdings häufig zum Nachteil der Demokratiebewegung, die dort seit Jahren um ein besseres System kämpft. „Mit 20 wirst du sterben“ ist auf jeden Fall ein starkes Beispiel eines neuen afrikanischen Kinos, und auch ein deutliches Signal eines politischen wie sozialen Aufbruchs. Abu Amjad Alala nützt die spannende Idee für eine Geschichte, in der er geschickt die sozialen Verhältnisse seines Landes nahebringt. Bert Rebhandl

Sudan 2019; 105 Min.; R: Amjad Abu Alala; D: Mustafa Shehata, Islam Mubarak, Mahmoud Elsaraj; Kinostart: 25.8.

Märzengrund

„Märzengrund“ von Adrian Goiginger. Foto: Prokino

Eigentlich schicken ihn die Eltern auf die Alm, damit er sich dort die Flausen aus dem Kopf schlägt; insbesondere die Moid, die eh viel älter ist als er und zudem noch geschieden, ein Skandal im Tiroler Zillertal des Jahres 1968! Ihren Buben kriegt die nicht, schwört also die Mutter vom Elias, eine verhärmte Bauersfrau, und erst recht nicht den Hof, an dessen Vergrößerung der Vater beharrlich und sich nicht schonend arbeitet. Und was macht der Bub? Er weigert sich am End‘, wieder herunter zu kommen ins Tal, er wird dort oben zum Einsiedler, er kündigt der menschlichen Gesellschaft. Bis ihn schließlich eine Krankheit bezwingt. Aber nun ist er alt und der Vater nicht mehr da und die Moid längst weg, nur die Mutter sitzt im Rollstuhl und ist erbittert.

Auf seinen autobiografisch geprägten Erstling „Die beste aller Welten“ (2017) über das Aufwachsen bei einer heroinsüchtigen Mutter lässt Adrian Goiginger mit „Märzengrund“ – basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Felix Mitterer, der auch am Drehbuch mitschrieb – eine veritable Bauernsaga folgen, die ein knappes halbes Jahrhundert umfasst. Ein Melodram um Arbeit, Erbe, Land, Liebe und Freiheit, im stolzen Bewusstsein der erzählerischen Tradition des Heimatromans mit großer Geste und langem Atem in beeindruckenden Bergpanoramen und historischen Kulissen in Szene gesetzt. Der Nostalgiefalle des wehmütig rückwärtsgewandten Blicks entkommt „Märzengrund“ nicht zuletzt dank Johannes Krisch, der in der Rolle des alten Elias jede sentimentale Anwandlung im Ansatz unterbindet und zum Kern der Figur vordringt, in dem der Versuch der Sinnstiftung und das ewige Gesetz der Vergänglichkeit in einem zähen Ringen miteinander liegen. Alexandra Seitz

Österreich 2022; 110 Min.; R: Adrian Goiginger; D: Johannes Krisch, Gerti Drassl, Verena Altenberger; Kinostart: 25.8.

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Einer unserer Lieblingsfilme derzeit ist „Grand Jeté“ – hier unser Gespräch mit der Regisseurin Isabelle Steve. Die Filmstarts der Vorwoche, mit der deutschen Komödie „Jagdsaison“, haben wir hier. Weiterhin in vielen Kinos: „Nope“, ein Film des Jahres! Hier ein Porträt des Kultregisseurs Jordan Peele. Alles zu Film und Kino im Berlin immer hier im Überblick.

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