Lebensmittel

From Farm to Table, aus Sizilien nach Berlin

Gleichnis vom Olivenbaum: Pietro Nicotra hat als 21-jähriger Student angefangen, Produkte aus Süditalien zu kuratieren. Zu seinen Kunden gehören etwa das Restaurant Ernst oder der Paulysaal

Pietro Nicotra, Foto: Clemens Niedenthal

Der Star ist das Produkt. So liest man es ja dieser Tage allenthalben. Aber dann hat man – etwa in der neuen, wunderbaren Pizzeria Futura in der Friedrichshainer Bänschstraße – diese unglaublich cremige, gleichzeitig süße und säuerliche Burrata auf dem Teller und denkt: So gut können Lebensmittel, so gut kann das Leben also schmecken.

Über diese Burrata habe ich Pietro Nicotra tatsächlich kennengelernt. An der kuratierten Käsetheke von Alte Milch in der Kreuzberger Markthalle Neun schwammen seine Burrata und sein Mozzarella in der Salzlake, genauso im ausgewählt neapolitanischen Sortiment von Luisa kocht in der Danziger Straße. Und auch wenn man in Berlin inzwischen so fabelhaft essen und, ja, auch einkaufen kann, ist dieses Gefühl, so nah an der Essenz eines Lebensmittels angekommen zu sein, noch immer selten. Das Sauerteigbrot von Florian Domberger aus Moabit wäre da ganz unbedingt zu nennen, oder die eingelegten Sardinen von Maître Philippe et Filles. Und eben diese apulischen Büffelmilchprodukte, die Pietro Nicotra nach Berlin gebracht hat. Als 21-jähriger Austauschstudent hatte er 2014 mit dem Direktimport begonnen.

Viereinhalb Jahre später sitze ich neben Pietro Nicotra in einem klapprigen Renault, wie er eben typisch für Regionen ist, in denen gutes Essen wichtiger ist als, nun ja, gute Autos. Wir sind in Buccheri, Südsizilien. Und Pietro Nicotra, der in Berlin das Restaurant Capperi! betreibt und vor allen seinen Lebensmittelhandel Siziliessen, ist unterwegs zu den Olivenhainen seiner Familie.

Eigentlich sollte Berlin noch für ein paar Jahre seine hauptsächliche Heimat bleiben. Dann starb der Companion seines Vaters, zudem wurde der Handel mit Olivenöl zu einem immer spekulativeren Markt. „Es ist schon vorgekommen, dass sich Olivenölverkoster (so nennen sich die Zwischenhändler in Italien) mit ihren Kunden unter unseren Bäumen getroffen haben und diese als ihre ausgegeben haben.“

Jetzt pendelt Nicotra also zwischen beiden Orten. Genau so wie es seine Produkte tun.

Ohnehin ist die Sache mit der Olive ein kompliziertes Gewerbe. Nur alle vier Jahre reiche die Qualität der Früchte für die handwerklich vollzogene Ölproduktion. Direkt nach dem Schnitt tragen die Bäume zudem gar keine Ernte. Wenn dann wie im vergangenen Jahr auch noch Unwetter wüten, trifft der Ernteausfall den jungen Biobetrieb der Familie in der Substanz. Um dennoch neue Olivenbäume zu erwerben (die bis zu 200 Jahre alten Exemplare werden rund um Buccheri inzwischen für rund 2.000 Euro gehandelt), hat Pietro Nicotra gerade eine neue Idee entwickelt. Für 150 Euro kann man eine Patenschaft für einen Baum übernehmen, drei Liter Öl und eine handgearbeitete Holzplakette inklusive.

Händler der einen Jahreszeit

Zugegeben, der vergangene Sommer war mies. Das eigentliche Kapital von Pietro Nicotra aber ist das Wetter. Er importiert Produkte aus einer Region, in der irgendwie immer Sommer ist. Saisonale Tomaten für die neapolitanische Pizza im Futura: Sizilien macht das möglich. Weil aber diese Produkte dafür rund 3.000 Kilometer unterwegs sind, sieht sich Nicotra auch in der Verantwortung. „Es geht gerade nicht darum, standardisierte und industrialisierte Produkte um den Erdball zu schicken. Gerade weil Lebensmittel hier so naturnah wie möglich angebaut und erzeugt werden können, halte ich den Weg für gerechtfertigt.“

From Farm to Table, das ist das Thema des jungen Foodlogistikers, der gleichzeitig ein Foodaktivist ist. Sein Unternehmen Siziliessen importiert den unbedingten Geschmack. Und was das ist, schmecken wir am Abend im U Locale, einer Slow-Food-Kneipe, die drei Freunde vor 2o Jahren in einen alten Schweinestall gezimmert haben: Es gibt wilden Spargel, den wir gerade eben unter den Olivenbäumen gesammelt haben, dazu ein Ei. So einfach kann gutes Essen sein. Nein, so essentiell.

Agrestis Via Sabauda 86 A, Buccheri, Sizilien. Falls Sie nun ebenfalls eine Patnerschaft für einen sizilianischen Olivenbaum übernehmen möchten, finden Sie den Kontakt unter www.agrestis.eu

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