Neue Musik

Gespräch mit Elsa Dreisig, dem Star aus „Violetter Schnee“

„In Berlin habe ich Selbstvertrauen gefasst“ – Sopranistin Elsa Dreisig über das Missverständnis mit dem schönen Klang, Beat Furrers neue Oper „Violetter Schnee“ – und warum dies das Schwierigste ist, was sie je gesungen hat

Foto: Ólafur Steinar Gestsson

tip Beat Furrers „Violetter Schnee“ ist eine Oper nach Vladimir Sorokin. Worum geht’s?
Elsa Dreisig Um das Ende der Welt. Fünf Personen suchen nach einem Sinn. Und fragen sich: „Was machen wir mit unserer Erde? Steht die Explosion ­bevor?“ Die Atmosphäre gleicht ein wenig „Melancholia“, dem Film von Lars von Trier.

tip Warum ist der Schnee violett?
Elsa Dreisig Weil die Sonne violett scheint. In der Inszenierung von Claus Guth spielen Teile des Stücks im Wiener Kunsthistorischen Museum vor Pieter Brueghels Gemälde „Jäger im Schnee“. In der wiedereröffneten Staatsoper kommen erstmals die Hubpodien ausgiebig zum Einsatz. Die Aufführung dauert ungefähr 1 Stunde und 45 Minuten.

tip Müssen Sie bei Neuer Musik anders singen?
Elsa Dreisig Mein Ehrgeiz besteht darin, alle Musik mit der mir eigenen Technik zu singen – ohne mich zu verstellen. Ich halte alles andere für gefährlich. Trotzdem ist diese Musik so, dass man als Sänger schon leicht drücken muss.

tip Wie ist die Musik von Beat Furrer?
Elsa Dreisig In einem Wort: sauschwer. Ich lerne neue Stücke, seitdem ich sechs Jahre alt bin. Trotzdem ist dies das mit Abstand Schwierigste, was ich bislang gesungen habe. Im Oktober ging ich zum Intendanten: „Tut mir Leid, ist zu schwer für mich!“ Er hat mich beruhigt. Das Problem ist: Wenn man an irgendeiner Stelle den Anschluss verliert, kann man einpacken. Man muss immer zählen.

tip In Berlin sind Sie sind in kürzester Zeit zum Publikumsliebling avanciert. Wie haben Sie das gemacht?
Elsa Dreisig Wahrscheinlich, indem ich hier ein bisschen mehr Risiko eingehen konnte als anderswo. Ich kenne die Akustik, die Schneiderinnen und die Maskenbildner. Eine Rolle wie die „Traviata“ singe ich nur hier – und warte dann wieder zwei, drei Jahre. Ich denke immer, schwere Rollen werden mir helfen, erwachsen zu werden.

tip Klappt es?
Elsa Dreisig Ja! Ich habe erst in Berlin Selbstvertrauen zu meiner Stimme gefasst. Das stachelt mich an und macht mich besser.

tip Große Häuser bergen die Gefahr, Sänger aufzufressen und zu verschleißen. Kann man es sich, wenn man jung ist, leisten, Nein zu sagen?
Elsa Dreisig Das ist die lebensentscheidende Frage. Meine Antwort lautet: „Jein!“ Wenn man jung ist, braucht man so viele offene Türen wie möglich. Man darf nicht zu vorsichtig sein. Aber man muss es! Dieser Beruf besteht nicht in „Singen to go“. Man darf sein Instrument nie ruinieren. Das würde man aber tun, wenn man immer nur Ja und Amen sagt.

tip Sie haben als Kind vor dem Spiegel gesungen. Warum?
Elsa Dreisig Ich habe mich dadurch physisch zu akzeptieren gelernt. Ich lag gern mit mir im Clinch. Jetzt wirke ich vielleicht spontan und easy. Das stimmt aber alles nicht. Ich habe durch meine Stimme den Körper gefunden – und zwar, indem ich mir beim Singen in die Augen sah. Ich wollte gut aussehen.

tip Um schön zu klingen?
Elsa Dreisig Nicht unbedingt. Wir lernen, wenn wir studieren, viel zu sehr, dass sich alles schön anhören soll. So verliert man die eigene Individualität. Ich habe versucht, meine Stimme aus der Kinderstimme heraus zu entwickeln. Man muss die Stimme rauslassen. Das muss nicht unbedingt schön klingen.

Termine: Violetter Schnee in der Staatsoper Unter den Linden 7, Mitte, Karten 12 – 130 €

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