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„Wir erleben eine Gesundheitskrise“: Wie Corona das Einkaufen in Berlin verändert

Fritz Lloyd Blomeyer hat deutschen Käse wieder groß gemacht. Gute und sehr gute Berliner Restaurants schätzen die Kompetenz des Käsekurators aus der Pestalozzistraße. Restaurants aber haben gerade geschlossen. Seither sorgt Corona dafür, dass das wöchentliche Einkaufen in Berlin den Status des Berghainbesuchs bekommt. Inklusive Schlange.

Deshalb setzt Blomeyer auf ein erweitertes Warensortiment – und neuerdings einen eigenen Onlineshop für hochwertige Lebensmittel aus kleinen Manufakturen. Ein Gespräch über Hamsterkäufe, ein gutes Stück Butter und die Corona-Karriere des Supermarkts.

Mann schneidet Käse von unten fotografiert. Fritz Lloyd Blomeyer ist Käsehändler in Berlin und spricht über die Veränderungen, die Corona auch im Einkaufen in Berlin auslöst.
Fritz Lloyd Blomeyer und sein Käse: Corona verändert den Lebensmitteleinzelhandel in Berlin und die Art und Weise, wie Berliner*innen einkaufen. Foto: Stephan Motzek

tip Fritz Lloyd Blomeyer, Sie sind Lebensmitteleinzelhändler, führen hier in der Pestalozzistraße einen kuratierten Käseladen. Hätten Sie gerade auch gerne so viel Aufmerksamkeit wie ihre Konkurrenz aus dem Supermarkt?

Fritz Lloyd Blomeyer Tatsächlich ist es so, dass die großen Medien gerade immer nur von den Held*innen im Supermarkt sprechen. Aber, hey, es gibt da tatsächlich noch einen Einzelhandel abseits des Supermarktes. Ja, wir sind hier ein Käseladen, wir haben aber auch andere Sachen von kleinen Produzenten, die fantastische Produkte herstellen. Zudem habe ich mein Angebot in Windeseile erweitert. Nicht um Klopapier zugegeben, aber etwa um richtig tolle Pasta.

Verändert Corona in Berlin auch das Einkaufen?

tip Das Bild, das sich gerade verfestigt: In guten Zeiten schlendern wir Konsumentinnen genüsslich über den Bauernmarkt. In der Krise hamstern wir die Grundnahrungsmittel vom Discounter.

Fritz Lloyd Blomeyer Es ist natürlich sehr viel einfacher, über einen Supermarkt zu berichten. Da hat jeder sofort Assoziationen. Nicht jedes Dorf, nichtmal mehr jede Stadt hat aber einen Käseladen. Die Sache ist aber doch, dass das, was wir gerade erleben, vor allem eine Gesundheitskrise ist. Wir erleben eine Situation, in der viele Menschen darüber nachdenken, wie sie sich gesündest möglich ernähren können. Ich würde jetzt mal keck behaupten, dass es gerade bei Milchprodukten tendenziell gesünder ist, sich eben bei mir einzudecken oder ganz generell in den kleinen, engagierten Lebensmittelläden.

tip Zu Ihnen kommen Kund*innen also nicht nur trotz, sondern gerade wegen Corona?

Fritz Lloyd Blomeyer Ich merke zum Glück gerade, dass das viele Menschen hier im Kiez genauso sehen. Die kommen manchmal nur für ein Stück Butter, einen Becher Sahne oder das Glas Honig. Manche kommen tatsächlich zum ersten Mal, und dann immer wieder. Ich glaube schon, dass da in vielen Köpfen etwas angeschoben wurde: Wie wollen wir eigentlich künftig leben?

Genuss in Zeiten von Corona: „Sich mal was besseres gönnen“

tip Eine These wäre: Wir kochen wieder mehr und engagierter.

Fritz Lloyd Blomeyer Es ist tatsächlich so, dass die, die man sonst vor allem in den Restaurants trifft, jetzt zwangsläufig selbst kochen oder sich eine richtig gute Brotzeit auftischen. Sie können ja nicht mehr essen gehen. Da wird das theoretische Wissen aus den Restaurantbesuchen quasi zur kulinarischen Praxis. Darüber hinaus habe ich habe schon die Hoffnung, dass jetzt viele Leute reflektieren, was für einen Quatsch sie sich zuweilen gekauft haben. Die vier Wände, in denen man jetzt festgenagelt ist, führen schon auch dazu, sich mal was besseres zu gönnen als den in Scheiben portionierten Butterkäse und 100 Gramm gemischten Aufschnitt.

tip Gerade haben Sie einen eigenen Online-Shop aufgesetzt, für Blomeyer’s Käse, aber auch die Produkte befreundeter Maufakturen wie die frankophile Patisserie Du Bonheur. Haben Sie die Krise gebraucht, um sich auf solches Neuland zu wagen?

Fritz Lloyd Blomeyer Es war eher umgekehrt so, dass die Konsument*innen hierzulande bis dato nicht bereit waren, bei den Lebensmitteln digitale Vertriebswege zu akzeptieren. Ich hatte die Kooperation mit Amazon Fresh ein Jahr lang ausprobiert. Das war vor allem ein teures Hobby. Jetzt habe ich aber das Gefühl, dass da etwas angestoßen wurde, dass auch nach Corona bleiben wird. Zumal abseits der kulinarischen Blase Berlins. Ich muss doch nur 40 Kilometer raus nach Brandenburg und habe dann vor Ort vielleicht einen Discounter und ein Bäckerauto zweimal in der Woche.

  • Nach vier Wochen Corona-Quarantäne keine Lust mehr, das wöchentliche Einkaufen im vollen Supermarkt in Berlin zu erledigen? Keine Sorge – den Onlineshop von Blomeyer’s Käse erreichen sie hier.


Wir haben noch mehr Tipps für gute Lebensmittel in Berlin – garantiert ohne Hamstern. Viele Cafés sind noch offen – unsere Empfehlungen. Und auch die Gastronomie hat sich schnell angepasst, es gibt tolles Essen in geöffneten Restaurants und Bars – zum Abholen, zum Beispiel in Mitte, Neukölln und Friedrichshain. Doch lieber selber kochen? Wir haben Berliner Köch*innen nach Rezepten gefragt.

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