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Roadmovie

Oscar-Gewinner „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ im Kino

Umkehrung der Klischees – Durch den rassistischen Süden der USA

eOne Germany

Tony Lip, ein italienischer Prolet, und Dr. Donald Shirley, ein aristokratisch wirkender schwarzer Musiker – dieses ­ungleiche Duo bricht im Jahr 1962 zu einer Tournee in den tiefen Süden Amerikas auf. Bevor es losgeht, bekommt der Chauffeur Tony noch ein Buch in die Hand gedrückt: „Das grüne Buch“ führt alle Betriebe auf, in denen ein schwarzer Mann in diesen rassis­tischen Zeiten im tiefen Süden absteigen konnte. „Vacation without Aggravation“ ist das Versprechen, das dieses Buch dem ­„negro motorist“ gibt – „Absteigen ohne Ärger“. In dem Moment, in dem Tony dieses Buch in die Hand nimmt, macht er den ersten Schritt, um selbst ein „negro“ zu werden. Ein halber ist er ja schon, als Italiener aus der Bronx.

„The Green Book“ von Peter Farrelly ist eine klassische Buddy-Komödie mit politischer Botschaft und weihnachtlichem Happyend – für das Publikum in Deutschland fällt der Start in die Oscar-Saison, da dürfte der Film auch eine größere Rolle spielen.

Zum Beispiel Viggo Mortensen in der Hauptrolle des Tony Lip. Zuerst einmal denkt man an ein Missverständnis: Der Aragorn aus der „Herr der Ringe“-Trilogie, dieser nordisch getönte Star, soll hier wirklich einen Mann aus einer Lebenswelt irgendwo zwischen Martin Scorsese und Tony Soprano glaubhaft verkörpern? Es dauert dann auch eine ganze Weile, bis man sich mit dem aufgepumpten Körper von Mortensen und mit seiner hemmungslosen Übertreibungskunst abgefunden hat: Der Tony Lip, den er präsentiert, ist ein verfressener Einfaltspinsel, in dem aber selbstverständlich ein guter Kerl steckt. Das geradezu physische Unbehagen mit Tony Lip wird noch verstärkt dadurch, dass er ein typischer Bewohner des Jahres 1962 ist. Das heißt, er hat immer eine Zigarette am Glimmen. Und er muss diese Zigarette in irgendeiner Hand unterbringen, während er mit der anderen ein Backhähnchen à la Kentucky mampft. Oder abends noch eine Pizza verschlingt, während er einen Liebesbrief an seine Frau zusammenzuschustern versucht.

Bei der Formulierung dieser Briefe hilft ihm schließlich Don Shirley, in einer pointierten Umkehrung des Klischees, dass der schwarze Mann vom weißen das Leben und Schreiben lernen muss. Shirley (Mahershala Ali bekam den Oscar für „Moonlight“, auch er erneut mit Oscar-Chancen) ist so kultiviert, dass er Liebe besser in Worte zu bringen vermag, als dass er sie selbst erleben würde.

„The Green Book“ bleibt in jeder Sekunde eine Bromance par excellence. Der tiefe Süden mit seinen rassistischen Versuchen, immer noch eine weiße Vorherrschaft aufrechtzuerhalten (der ­schwarze Musiker darf zum Fest aufspielen, aber nicht mitessen), ist zugleich der kulturelle Raum, an dem Amerika genesen kann: In einer Kneipe für einfache schwarze Leute, mit simplen, nicht schon in Industrieformat unter das Volk gebrachten „fried chicken“, ­findet Don Shirley dann auch noch zu einer anderen Musik als zu der Salonvirtuosität, mit der er sich für die Herrenmenschen zum brillanten Idioten gemacht hat.

In seinen früheren Filmen fand Peter ­Farrelly („Verrückt nach Mary“) über Exzentrik und Avantgarde, über das Schizoide und die Scham zu einem progressiven Populismus. In „The Green Book“ nimmt er das direkte Roadmovie in diese Richtung.

Green Book USA 2018, 131 Min., R: Peter Farrelly, D: Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Start: 31.1.

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