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Kommentar

Corona-Irrsinn: Friedrichshain-Kreuzberg will 30 Straßen zu Kinderspielplätzen machen

Die Corona-Krise bringt auch so manche Absurdität hervor. Gerade hat sich das Straßen- und Grünflächenamt von Friedrichshain-Kreuzberg mit einer Idee zu Wort gemeldet: In dem Bezirk sollen 30 Straßen für den Verkehr gesperrt und in Spielstraßen umgewandelt werden. Vornehmlich im Samariter Kiez und rund um die Oranienstraße. Ein Kommentar von Jacek Slaski.

Die Böckstraße wurde – vor Corona – immer wieder gesperrt und zur Spielstraße umfunktioniert. Passiert das bald im Bezirk an vielen Orten? Foto: imago/F. Anthea Schaap
Die Böckhstraße wurde – vor Corona – immer wieder gesperrt und zur Spielstraße umfunktioniert. Passiert das bald im Bezirk an vielen Orten? Foto: Imago/ F. Anthea Schaap

Der innerstädtische und extrem dicht besiedelte Stadtbezirk hat verhältnismäßig wenige Parks und Grünanlagen. Da nun seit der Einführung der Corona-Maßnahmen nun auch sämtliche Bolz- und Spielplätze gesperrt sind, erwägt Friedrichshain-Kreuzberg nun als Notlösung Straßensperrungen, um Spielraum für Kinder zu schaffen.

An sich sind verkehrsberuhigte oder gar vom Verkehr befreite Straßen, die so zu Spielstraßen umgewandelt werden, eine gute Idee. Will man eine Stadt der Zukunft, in der Mobilität anders funktioniert, ist es unumgänglich, dass der öffentliche Raum den Autos genommen und den Menschen gegeben wird. Wunderbare schöne neue Welt!

Nur ist die ganze Sache aber aktuell an Irrsinn, Aufwand und Aktionismus nicht zu übertreffen. Da sperrt man wegen der Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus die halbe Stadt, einschließlich der Schulen, Spielplätze und Tischtennisplatten in Parks, und wundert sich drei Wochen später, dass Kinder keinen Platz zum Spielen haben. Woraufhin dann Straßen gesperrt werden sollen, damit die Kinder dann dort spielen können.

Die gesperrten Straßen würden in Friedrichshain-Kreuzberg vermutlich schon bald Partymeilen gleichen

Diese Logik will sich mir beim besten Willen nicht erschließen. Auch das Argument, auf Straßen wäre mehr Platz, greift nicht. Es kommt immer auf die Menge, der sich dort befindenden großen und kleinen Menschen an. Außerdem würden gerade in Friedrichshain-Kreuzberg diese erhofften Spielstraßen vermutlich schon bald Partymeilen gleichen, wo sich die ausgehungerten Berliner Hedonisten mit Bier und Aperol Spritz der Corona-Feierlaune hingeben würden. Der 1. Mai ist nicht mehr lange hin. Ein Corona-Myfest sozusagen. Schöner Ersatz für die abgesagten Demos und Feste.

Wie wäre es also, wenn man statt der Straßensperrungen einfach wieder die Spiel- und Bolzplätze öffnet? Eine verrückte Idee, weil ja Kinder sicherlich viel lieber zwischen parkenden Autos auf der Voigt- oder Waldemarstraße rumtollen.

Aber mal ehrlich: Entweder man nimmt die Maßnahmen ernst und schafft keine temporären Corona-Spielstraßen, auf denen sich Kinder und Eltern tummeln und wo sich das Virus ebenso verbreiten kann. Oder man schlägt langsam den Weg zurück in die Normalität ein und entschließt sich, angesichts der wenig alarmierenden Zahlen in Berlin, die Spielplätze wieder zu öffnen. Das wäre mal ein Anfang.

Dieses Hin und Her der Maßnahmen und Verordnungen, Ausnahmeregelungen und temporären Sperrungen braucht kein Mensch.


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