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Wenn die Nachverdichtung Berlins Hinterhöfe einnimmt

In wenigen Schritten zu einem idyllischen Schrebergarten

In den deutschen Großstädten fehlt adäquater Wohnraum. Nicht nur um bezahlbare Wohnungen wird gerungen, generell ist in absehbarer Zeit zu wenig Platz für alle Neu-Städter und Alteingesessenen. Berlin ist mittendrin in der Wohnungsmarktspirale. Schätzungen zufolge wird die Stadt von 2005 bis 2025 um mehrere hunderttausend Einwohner wachsen. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Wohnmöglichkeiten. Das Zauberwort heißt derzeit: Nachverdichtung. Es bedeutet die Nutzung von freien Flächen dort, wo bereits gebaut ist. Neue Infrastrukturen sind nicht zu erschließen, denn alles ist schon vorhanden. Berlin rückt enger zusammen — auf Kosten der Freiflächen.

Berlins Stadtbild im Wandel: Fallen letzte Grünflächen bald dem Bauboom zum Opfer?

Durch Aufstockung und Anbau an bestehende Gebäude soll neuer Wohnraum entstehen. Doch Berliner Projekte im Rahmen der Nachverdichtung kosten nicht nur wertvolle Grundstücke und Baulücken. Zunehmend fallen Bewohnergärten und Hinterhöfe dem Drang nach mehr Wohnraum zum Opfer. Die Anwohner müssen ausweichen, wenn sie etwas Freiraum außerhalb der eigenen vier Wände genießen wollen. Erholung im Freien bieten nahegelegene Parkanlagen, die aber bald noch mehr Menschen frequentieren werden. Der Weg an den Stadtrand sowie die weiter entfernten Erholungsgebiete kostet oft zu viel Zeit oder ist ohne Auto nicht zu bewerkstelligen.

Eine sinnvolle Alternative findet sich in den zahlreichen Kleingartenanlagen, die das Stadtbild zieren. In keiner anderen Metropole liegen mehr privat nutzbare Gärten im Einzugsgebiet. Wer von der Nachverdichtung betroffen ist, kann sich für die Freizeit einen eigenen Schrebergarten zulegen. Einiges ist dabei zu beachten.

 

Abenteuer Schrebergarten

Ein Schrebergarten bedeutet nicht nur Entspannung, sondern auch Arbeit. Dazu zählen vor allem Tätigkeiten, mit denen sich ein Städter in einer Etagenwohnung nie befassen musste. Hecken schneiden, Rasen mähen, anpflanzen und düngen — viele neue Aufgaben warten. Mit dem richtigen Handwerkszeug und passenden Informationsquellen ist der Weg zum Hobbygärtner schnell gemeistert.

Was zur Gartenarbeit gebraucht wird, lässt sich bestenfalls vom Vorpächter des Gartens übernehmen. Bei defekten oder fehlenden Gerätschaften empfiehlt sich jedoch, schnell für Ersatz zu sorgen. Besonders hinsichtlich Maschinen wie elektrischer Heckenschere oder Rasenmäher, die ständig in Gebrauch sein werden, hängt viel von der Qualität ab. Gut informiert sind Profis und Laien deshalb im Baumarkt oder noch einfacher online über Testberichte für Gartengeräte. Während Stadtbewohner in ihrer Wohnung nur den Staubsauger schwingen müssen, kommen im Kleingarten Hilfsmittel wie Laubsauger oder Vertikutierer hinzu.

Im Kleingarten sind Arbeitsgeräte notwendig, die ein Städter sonst nicht im Keller haben muss.
Foto: pixabay.com© andreas160578 (Pixabay License)

 

Von der Idee bis zur Pacht

Sich unter die Gruppe der Berliner Kleingartenpächter zu mischen, ist kein einsames Unterfangen: Die Hauptstadt nimmt mit mehr als 67.000 Pächtern die Spitzenposition in Deutschland ein. Unter den rund drei Hektar Fläche, die hier von Kleingärtnern genutzt werden, gibt es viele schöne Orte zu entdecken. Denn obwohl das private Vergnügen einen kleinen Rückzugsort bietet, sind die Flächen öffentlich zugänglich zu halten. Und dank der engagierten Berliner Schrebergärtner sind sie prächtig anzusehen.

Wer sich selbst einen kleinen Schrebergarten zulegen möchte, muss zunächst in Wohnortnähe auf die Suche nach dem passenden Kleinod gehen. Über Tageszeitungen mit privaten Annoncen oder in Bezug auf Mund-zu-Mund-Propaganda gehören Augen und Ohren geöffnet. Auch der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde oder örtliche Kleingartenvereine sind gute Anlaufstellen. Im Berliner Stadtgebiet gibt es einige davon, wie dieser Überblick mit zugehörigen Kontaktdaten zeigt. Hier ist zu erfahren, welche Parzellen frei werden und wie die Bewerbung als zukünftiger Pächter abläuft. Es empfiehlt sich, frühzeitig aktiv zu werden: Die Wartelisten sind je nach Lage der Kleingartenanlage lang. Eine Wartezeit von einigen Jahren ist keine Seltenheit.

Die Pacht für Berlins landeseigene Kleingärten beträgt im Durchschnitt nur einige Cent pro Quadratmeter. Auch jährliche Zusatzkosten, wie Mitgliedschaft im Verein oder Betriebskosten, sind für jeden erholungssuchenden Städter erschwinglich. Anders sieht es bei den Übernahmepreisen aus, die für die darauf stehende Laube und Bepflanzung anfallen. Sie werden an den Vorpächter gezahlt und liegen pro Quadratmeter durchaus im zweistelligen Bereich. Je nach Größe des Gartens fallen die Gesamtausgaben folglich etwas höher aus, bevor der Traum in Erfüllung geht. Ist die Pacht geglückt, darf sich der Großstädter fortan Laubenpieper nennen.

 

Mit Regelwerk nach Lust und Laune laubenpiepen

Grundsätzlich ist es jedem Pächter überlassen, wie er sein kleines Idyll gestaltet. Einige Rahmenbedingungen geben aber das Bundeskleingartengesetz sowie die Verordnungen des jeweiligen Kleingartenvereins vor, auf dessen Terrain die Parzelle liegt. Dies betrifft Regelungen für ein gemeinschaftliches und gefahrfreies Miteinander, aber auch bauliche Vorgaben. So ist für die Gartenlaube eine Maximalgröße von 24 Quadratmetern vorgeschrieben. Hecken und Sträucher dürfen nicht zu hoch werden, um dem Nachbarn nicht die Sonne zu rauben. Auch einige Baumarten, wie Eiche oder Walnuss, sind nicht erlaubt, da sie zu groß werden.

Für Berlins Kleingärten gilt: Ein bestimmter Teil muss Nutzgarten sein.
Foto: pixabay.com© Pixeleye (Pixabay License)

Dass die Pacht für Schrebergärten in Berlin so niedrig ausfällt, ist an weitere Bedingungen geknüpft. Mindestens ein Drittel der Parzelle ist für Obst- und Gemüseanbau zu nutzen. Die Auswahl ist jedoch dem Pächter überlassen. Er muss regelmäßig Unkraut entfernen und die Grünflächen stutzen, damit der kleine Garten nicht verwahrlost aussieht. Mit regelmäßigen Kontrollen sorgt der Vorstand der Kolonie dafür, dass die Regelungen eingehalten werden. Übernachtungen in der Laube sind am Wochenende und in den Ferien erlaubt. Sie ersetzt jedoch in keinem Fall den eigentlichen Wohnsitz.

 

Die Zukunft der Kleingärtner

Bei Berlins Schrebergärten erklingt stellenweise dieselbe düstere Zukunftsmusik wie bei der Wohnsituation: zu viele Bewerber für zu wenig Gärten. Als mögliche Lösung wird derzeit das Lauben-Sharing gehandelt. Eine Vermittlungsplattform ging kürzlich online und bringt Interessenten und Pächter zusammen. Hier können Kleingärtner sich Hilfe suchen, wenn sie die Pflege ihrer Oase zeitlich oder aus Altersgründen nicht alleine schaffen. Erholungswillige ohne eigenen Garten erhalten im Gegenzug für entsprechenden Arbeitseinsatz ein Nutzungsrecht der Parzelle — ein Gewinn für beide Seiten.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Nachverdichtung vorerst vor Berlins Kleingärten Halt macht. Diese Flächen gelten als Baulandreserve, die die Stadt bisher noch  kaum antasten musste.

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