Festival

Internationales Literaturfestival Berlin 2019

Weite wirre Welt: Das 19. Internationale Literaturfestival Berlin ist wieder eine stetige Horizonterweiterung. Wir empfehlen sieben Bücher für den anderen Blick

Tommy Orange. Foto: Christopher Thompson/ NYT Redux

Das ilb, eine Weltenwanderung, eine stetige Horizonterweiterung. Andere Perspektiven, andere Erzählungen, andere Fragen. Beim 19. Internationalen Literaturfestival Berlin (dessen Namen die Macher*innen um Festivaldirektor Ulrich Schreiber durchgehend klein schreiben) ist die Themenwucht, die Diskursbreite wieder beeindruckend. Künstliche Intelligenz, Dekolonisierung, Klimawandel. Politische Verwerfungen in Lateinamerika, in der arabischen Welt. Identitäten.  200 Autor*innen aus 50 Ländern. Und ein weiteres Mal macht die weite wirre Welt ein wenig mehr Sinn.

Ein Literat, der eine bislang literarisch wenig erzählte Perspektive mit nach Berlin bringt, ist Tommy Orange, 1982 in Oakland, Kalifornien geboren, Mitglied der Cheyenne and Arapaho Tribes. Sein Debütroman „Dort dort“  über urbane Indianer in Oakland ist voller Vehemenz, Wut, Schicksalshaftigkeit und historischer Reflexionsdichte. Allein dieser grandiose Prolog, den Orange seinem Epos voranstellt. In einer atemlosen Suade des kollektiven Zorns dekliniert er die Tragödie der amerikanischen Ureinwohner, das jahrhundertelange Unrecht, die Massaker der Weißen an den Natives und die zynischen Hollywood-Mythen (von John Wayne bis Kevin Costner) in lichterloh lodernder Poesie durch.

Seine Figuren leben eben nicht in Reservaten, sondern in den Städten. Jungen, vom Alkoholmissbrauch ihrer Mütter gezeichnet. Oder Mütter, die ihre Männer an den Alkohol verloren, die Taugenichtse, Saufkerle, Familien-Schläger, Abhauer. Verlorene in der Stadt, die durch die Straßen irren oder durchs Internet. Und alle diese Geschichten von Jackie Red Feather, Tony Loneman oder  Bill Davis berühren sich, oft nur kurz, verlieren sich wieder. Bis zu einem Powwow, einem großen Traditionsfest. Dort wollen sie alle hin, als Tänzer*innen, als Zuschauer. Oder als Gangster.  Die Eskalation.

Und das ist es doch, wofür das ilb da sein kann. Dass Literatur einen dorthin trägt, wo man noch nie war, wovon man wenig gehört hat. Und jetzt raus in diese Welt.

19. Internationales Literaturfestival Berlin diverse Orte, Mi 11.–Sa 21.9., www.literaturfestival.com; siehe auch S. 40 (Kinder-/Jugendliteratur)

Dort dort von Tommy Orange, aus dem Englischen von Hannes Meyer, Hanser Berlin 288 S., 22 €; Lesung: James-Simon-Galerie, Eiserne Brücke, Mitte, Sa 14.9., 21 Uhr, Eintritt 8, erm. 6 €

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