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Kolumne

Jackie A. entdeckt … Rondo-Kaffee mit Gabi

Wenn du das hier liest, hat sich das das Gewitter verzogen und der Filterkaffee im „Rosengarten“ schmeckt auch nach der Wahl wie 1986, als wir nüscht hatten, außer diese aufkratzende Bitterkeit eines auf der Heizplatte sich selbst überlassenen „Rondo“-Kaffees. Wer den schaffte, der hält auch die AfD-Stimmanteile durch.

Dann sind auch die Diskussionen in der Internetgruppe der Gemeinde passé, für die ich nachts noch ins Handy gucke, nur um mir glucksend die Loriot-mäßige Kleinkariertheit von pantoffelflauschigen Politik-Aktivisten reinzuziehen, die Greta Thunberg ein verzogenes Balg nennen und für das Einhalten von Rasenmäherzeiten auf die Kommentarspalten-Barrikaden gehen. Dann sind die Wahlplakate verschwunden mit den biometrisch stets unvorteilhaft abgebildeten Kandidaten und lustigen Drohungen, siehe: „Gabi macht’s!“ Noch hängen sie an den Laternen, Faustregel: Je höher, desto rechter. Und weil in Brandenburg nicht nur der Landtag gewählt wird, sondern hier auch noch der Bürgermeister, erlebe ich hier ein emotionales 9/11, dessen Ende ich kaum noch erwarten kann, weil das Thema inzwischen jedes einzelne unserer Gespräche beherrscht.

Dabei fällt auf, wie sehr sich mein Blick von innen entfernt hat von der äußeren  Wahrnehmung. „ Da würde ich nie hinziehen“, höre ich öfter von Berliner Bekannten. Und während sich hier allmählich ein deutlich originelleres Brandenburg auftut, als es das Klischee vermittelt, sind die Meinungen in Berlin längst gebildet. Egal, wie viele spannende Lebensentwürfe sich finden, wie zuletzt jener von Davi mit brasilianisch-österreichischen Wurzeln und Pankower Ehemann. Die eigenen Vorurteile verabschiedeten sich schon vorher mit der Feststellung, dass die besten aller Catsitter ausgerechnet CDU-Wähler sind. Nach Jahren schlich sich dieser fast schon familiäre Charakter ein, der skurrile Szenen hervorbringt, beispielsweise wenn sich der konservative Bürgermeisterkandidat auf dem Dorffest den eigenen rotweinschwammigen Vortrag über die Großartigkeit des Tanzes bis zum Schluss anhört. Dieses Zuhören lernt man ja schnell, wenn es plötzlich notwendig wird, miteinander und nicht nur nebeneinander klarzukommen.

Und wenn du das hier liest, hat sich das Gewitter verzogen und das Leben hier wird so gut weiterlaufen, wie seine Bewohner es eben gestalten. Und das ist ja das Spannende im Dorf. Hier kannst und musst du selber was machen, weil es sonst keiner tut – egal, wer gewählt wurde.

Die Faustregel der Plakate an den Laternen: Je höher, desto rechter

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