Radikale Verwandlung: Die Retrospektive „1917. Revolution“ liefert im Zeughauskino eindrucksvolle Beispiele für den russischen Revolutionsfilm

Der letztendliche Sieg der Bolschewiki in der russischen Oktoberrevolution und die nachfolgende radikale Verwandlung eines rückständigen feudalen Agrarstaates in eine moderne Industriegesellschaft stellten auch die Filmemacher vor 100 Jahren vor neue Aufgaben. Inhaltlich waren die Vorgaben klar: Man pries die Errungenschaften der neuen Ära und machte noch einmal deutlich, welche Ungerechtigkeiten man nunmehr überwunden hatte.
Ästhetisch schien hingegen eine Zeitlang alles möglich: Kinoavantgardisten wie Dziga Vertov und Sergej Eisenstein machten mit ihren Theorien und experimentellen Filmen auch international Furore, ehe sich in Stalins Sowjetunion schließlich das konventionell verlogene Heldendrama des totalitären Staates durchsetzte. Fünf Beispiele aus der umfassenden Filmreihe „1917. Revolution“ im Zeughauskino (Kuratorin: Barbara Wurm) verdeutlichen die unterschiedlichen Strategien der sowjetischen Regisseure, sich den Herausforderungen ihrer Zeit zu stellen. LP
1917. Revolution 7.11. – 3.12., Zeughauskino, www.dhm.de
Vorwärts, Sowjet! (OmU)

Einen Auftrag des Moskauer Sowjets nahm Denis Kaufman alias Dziga Vertov 1926 zum Anlass für einen Montagefilm, der das Alte und das Neue in scharfem Kontrast gegenüberstellt. Das Alte, das waren Hunger, Kälte und Krankheiten. Die neue Zeit sorgt für Industrialisierung, Elektrizität, fließendes Wasser, Neubauten und Zentralheizung. In diesem Staat hat jeder eine Aufgabe und einen Platz, hier wird auch für die Schwachen, die Waisen und die behinderten Menschen gesorgt. Dass den Auftraggebern der Film am Ende nicht gefiel, war das Schicksal einer Avantgarde, die mit Ausklang der 1920er-Jahre schon am Ende schien. LP
7.11., 21 Uhr
Streik (OmU)

„Panzerkreuzer Potemkin“ trug den Ruhm des Kinos der jungen Sowjetunion in die Welt. Dafür sorgte insbesondere die für damalige Verhältnisse spektakuläre Montagetechnik. Doch Sergej Eisenstein, seinerzeit Ende 20, hatte seine fulminanten Fähigkeiten schon zuvor bewiesen: Bei seinem ebenfalls 1925 entstandenen Erstling über Vorbereitung, Durchführung und Niederwerfung eines Streiks im Zarenreich, einer Arbeit, die bis heute im Schatten von „Potemkin“ steht. GYM
7.11., 21 Uhr
Der Schneider von Torshok (OmU)

Der überspitzten satirischen Komödie bedient sich Regisseur Jakov Protazanov in „Der Schneider von Torshok“ (1925), um zu zeigen, dass man in der neuen Zeit nicht mehr die traditionellen Wege einschlagen muss. Während sein Held, ein junger Dorfschneider, von einer ältlichen Witwe zur Heirat gedrängt wird, lernt er in der Stadt unfreiwillig und nicht ohne Slapstickeinlagen die Errungenschaften der sowjetischen Moderne, die Segnungen der Bildung sowie die junge Hausangestellte Katja kennen. Die sowieso viel besser zu ihm passt. LP
14.11., 20 Uhr
Generation der Sieger (OmU)

Offiziell gleichberechtigt, gelang es Frauen auch in sozialistischen Staaten nur selten, echte Machtpositionen zu erobern – darunter auch jene des Filmregiestuhls. So ist Vera Stroeva (1903–1991) eine Ausnahme. Dennoch wurde die Regisseurin und Drehbuchautorin, deren Schaffen sich über sieben Jahrzehnte erstreckte, international relativ wenig beachtet. 1936 inszenierte sie dieses Historienepos über junge Berufsrevolutionäre zwischen 1896 und 1906, ganz gemäß der offiziellen Geschichtsschreibung. GYM
30.11., 20 Uhr
Maksims Jugend (OmU)

Grigorij Kozincev und Leonid Trauberg zählten zu jenen Künstlern, die glaubten, die junge Sowjetunion müsse auch zu neuen künstlerischen Formen aufbrechen. Als die Avantgarde unter Stalin in Ungnade fiel, gelang den Filmemachern eine auch beim Publikum sehr erfolgreiche Anpassung an den neuen reaktionären Kurs mit ihrer Trilogie um einen gutgelaunten Musterproletarier, der sich vom späten Zaren- bis zum jungen Sowjetreich zum Vorzeigebolschewiken entwickelt. GYM
1.12., 20.30 Uhr
2. Teil: 2.12., 20.30 Uhr; 3. Teil: 3.12., 18.30 Uhr