Seit der chinesische Dissident und Künstler Ai Weiwei 2015 nach Deutschland ausreiste, hat er ein gravierendes Problem: Das Interesse an ihm und seinen Werken nimmt stetig ab. Solange ihn die chinesische Justiz daheim mit absurden Vorwürfen konfrontierte, er zeitweilig im Gefängnis saß oder unter Hausarrest stand, da lief es medial noch gut, da reihten sich die Kamerateams in Schlange vor seinem Anwesen. Ai Weiwei war einer der im Westen bekanntesten Kritiker der chinesischen Regierung. Doch nun ist die Medienkarawane weitergezogen. So ist das Leben

Und wenn der Künstler nun mit etwas die Aufmerksamkeit erregen könnte, dann wäre das ja wohl: Kunst. Doch leider ist seine platte Politkunst ein Haufen Mist. In grauenerregender Erinnerung geblieben ist da etwa seine künstlerische Beteiligung an einer Gala der ihn finanziell unterstützenden, ziemlich dubiosen Cinema for Peace Foundation, als er 2016, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, die Säulen des Konzerthauses am Gendarmenmarkt mit orangefarbenen Rettungswesten verzierte und anschließend der versammelten Abendgesellschaft eine Notfall-Wärmedecke um die Schultern legte. Da möchte man auch heute noch vor lauter Fremdschämen im Boden versinken.
Doch Kritik an sich und seiner Kunst mag Ai Weiwei nicht hören, er zieht es vor, lieber beleidigte und beleidigende Rundumschläge gegen die Gesellschaft auszuteilen, die ihn aufgenommen hat. Eine besondere Feindschaft verbindet Ai, der Ende der 1970er Jahre an der Filmakademie von Peking studiert hatte, mit der Berlinale. Bereits 2019 erhob er den schweren Vorwurf, der Film „Berlin, I Love You“, zu dem er ursprünglich eine Episode beigesteuert hatte, sei vom Festival nicht aus Gründen der – nicht vorhandenen – Qualität abgelehnt worden, sondern aus Angst vor möglichen politischen Konsequenzen.
Dieselben Vorwürfe erhob er nun auch zur Berlinale 2020, denn sein Film „Vivos“, eine Dokumentation über verschwundene Studenten in Mexiko, wurde zur Sichtung für die Sektion Panorama eingereicht und schließlich nicht genommen. Laut Berlinale, weil man einem von Ai Weiwei aufgebauten Zeitdruck nicht nachgeben mochte. Klingt von Seiten des Künstlers natürlich anders.
Nun macht Ai also seine eigene Gegen-Berlinale, ausschließlich mit Filmen von Ai Weiwei oder über ihn: „Censored: Ai Weiwei’s Films“ heißt sie und findet vom 19. bis 24. Februar im kommunalen Kino Babylon Mitte statt. In dessen Geschäftsführer Timothy Grossman hat Ai zweifellos einen formidablen Geistesgenossen gefunden. Denn auch Grossman hat es bekanntlich in der Regel nicht so mit Kritik an seinem Programm oder mit Fragen nach seinem Geschäftsgebaren, sondern betrachtet Kritiker gern pauschal als antisemitische Rassisten. Diese Mischung aus Talentlosigkeit, Größen- und Verfolgungswahn ist praktisch konkurrenzlos. Schön, dass Ai Weiwei sich in der Zwischenzeit auch schon mal nach einem anderen Job umgesehen hat: als Werbetreibender für die Baumarktkette Hornbach. Dabei sollte er bleiben. Lars Penning.
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