Israelis in Berlin gibt es mittlerweile zu Tausenden, eine davon ist die Studentin Noa (Neta Riskin). Als ihr Antrag auf ein Stipendium abgelehnt wird, gerät sie in eine Sinnkrise und fliegt nach Israel, wo sie sich nicht ohne Schwierigkeiten wieder in ihre dysfunktionale Familie einfindet. Ihre Eltern sind lustvoll chaotisch, ihr Bruder nimmt Psychopharmaka gegen seine Ängste, ihre geliebte Großmutter liegt im Sterben. Als ihr deutscher Freund mit dem für Israelis schwer aussprechbaren Namen Jörg (Golo Euler) ihr spontan nachfolgt, wird die Lage noch komplizierter.
Ester Amrami, auch sie eine Israelin in Berlin, ist mit ihrem Spielfilmdebüt, einem Abschlussfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf, eine bemerkenswert fein beobachtete kleine Studie über israelische Eigenheiten und die nach wie vor komplizierten deutsch-israelischen Verhältnisse gelungen. Die wunderbar präzise Kamera fängt die interkulturelle Befremdung in herrlichen kleinen Details ein – und es ist nicht nur Jörg, dem das nahöstliche Chaos fremd ist, sondern auch Noas Blick ist zunehmend ein befremdeter. Der von einem realen Menschen bewachte Bahnübergang; die allgegenwärtigen asiatischen Haushaltshilfen und Altenpflegerinnen; der Vater, der seinem deutschen Gast stolz den Bombenschutzraum im Garten zeigt, den er selbst gebaut hat; die Mutter, die sich darüber beschwert, dass er sich dabei einen Leistenbruch zugezogen hat. Ganz zu schweigen von den geschmacklosen Witzen über Deutsche, mit denen der Bruder seinen Schwager in spe unterhält.
Bei aller skurrilen Komik zeigt der Film auch die traurige Tiefendimension der Dysfunktionalität von Noas Familie, sie liegt im Überleben des Holocaust und wird von der Jiddisch sprechenden Großmutter verkörpert. All das ist präsent – und zugleich für die jungen Leute nicht mehr maßgebend. Heimat ist anderswo – wo, das bleibt bis zum Ende ungeklärt.
Text: Catherine Newmark
Foto: Film Kino Text
Orte und Zeiten: Anderswo
Anderswo D 2014; ?R: Ester Amrami; ?D: Neta Riskin (Noa), ?Golo Euler (Jörg), Hana Laszlo (Mutter Rachel); 85 Min.
Kinostart: Do, 29. Januar 2015?