Nicht zwingend nett: Ein vielschichtiges Porträt des Bildhauers Auguste Rodin

Im Reigen der vielen Biopics über französische Künstlerpersönlichkeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist Jacques Doillon ein besonderer Film gelungen: Klar strukturiert und in den einzelnen Szenen beinahe undramatisch nähern sich der Regisseur und sein Hauptdarsteller Vincent Lindon dem Bildhauer Auguste Rodin in kleinen Vignetten an, die aus dessen Arbeits- und Privatleben seit seiner künstlerischen Unabhängigkeit durch den Auftrag eines „Höllentores“ nach Dantes „Inferno“ in den 1880er-Jahren erzählen. Man könnte sagen, die beiden modellieren ihren Rodin, so wie jener seine Skulpturen von Balzac oder Victor Hugo fertigte: intensiv, mit genauem Blick und moderner Konzeption.
Alle wichtigen Themen rund um Rodin und den Beginn der modernen Bildhauerei werden auf diese Weise erfahrbar: die Liebe des Bildhauers zum Material Ton, der physische Aspekt des Modellierens, das Verständnis für Licht. Das Bindeglied zwischen Arbeit und Privatleben ist Rodins geistige wie körperliche Beziehung zu seiner Schülerin Camille Claudel (Izïa Higelin), die nach einem jahrelangen fruchtbaren Austausch von Ideen in Depression und Paranoia versinkt – auch, weil Rodin seine langjährige Lebensgefährtin Rose Beuret (Séverine Caneele) nicht verlassen mag. Der Film macht aus Rodins unbedachter und wohl auch unbeabsichtigter Grausamkeit gegenüber Frauen jedoch kein Melodram, sondern einfach einen weiteren Baustein im Bild einer faszinierenden Persönlichkeit. Genies müssen ja nicht zwingend nette Menschen sein.
Rodin (OT) F 2017, 119 Min., R: Jacques Doillon, D: Vincent Lindon, Izïa Higelin, Séverine Caneele, Bernard Verley, Start: 31.8.
