Was Mirjam Leuze in „The Whale & the Raven“ zeigt, ist möglicherweise bald schon das Dokument einer heilen Vergangenheit: Ein Ökosystem in Kanada in dem Orcas und Buckelwale leben. Noch, denn die Flüssiggas-Industrie hat die Region entdeckt
Sehr weit weg in Kanada – genauer: auf der 70 Meilen von der Küstenstadt Kitimat entfernten Gil Island im Territorium der Gitga’at First Nation in British Columbia – liegt eine kleine Walforschungsstation. Hier beobachten Hermann Meuter und Janie Wray Orcas und Buckelwale, die zuhauf im weit verzweigten Fjordsystem der dünn besiedelten Region an der Pazifikküste herumdümpeln und Fontänen blasen. Außer von den Forschern mit ihren Fotoapparaten und Mikrofonen werden sie von niemandem behelligt und können es sich daher gut gehen lassen. Noch. Denn die Flüssiggas-Industrie hat den Weg durch die Fjorde als geeignete Tankerroute entdeckt, um das energiehungrige Asien per Schiff mit Stoff zu versorgen und plant auch schon den entsprechenden Hafen. Pech für die geräuschempfindlichen Riesensäuger.
Was Mirjam Leuze in „The Whale & the Raven“ zeigt, ist möglicherweise bald schon das Dokument einer heilen Vergangenheit. Und um die Dimension des drohenden Verlustes zu begreifen, braucht es keinen Off-Kommentar und keine umweltpolitische Warn-Polemik; es ist völlig ausreichend, die Forscher beim Forschen zu beobachten, was bedeutet, den beiden beim Schauen und Lauschen zuzusehen und im Wasser verschwindende Schwanzflossen zu zeigen.
Es ist die Vorsicht seiner Erkundungen, sein Minimalismus, der diesen Film, der in enger Kooperation mit der indigenen Bevölkerung vor Ort entstand, so reizvoll macht: der respektvolle Abstand, den er zu den Tieren wahrt, und die Aufmerksamkeit, die er deren Lebensraum widmet. Es ist still dort und friedlich, und Zufriedenheit, gar Glück sind möglich. Noch.
The Whale & the Raven D/CAN 2019, 101 Min., R: Mirjam Leuze,
Start: 5.9.