Berlinale 2018 – Generation 14plus

Mit viel Eigensinn

Einhörner, drogensüchtige Mütter und ein Trip nach Südeuropa: Magischer Realismus und der ­authentische Blick auf fremde Wirklichkeiten in den Filmen von Generation 14plus

Im Grunde hatte Nietzsche wohl recht. Zumindest einige der Teens und Twens, denen man im diesjährigen Programm von Generation 14plus begegnet, würden es sicher aus vollen Herzen bestätigen. „Jedes Kind hätte Grund, über seine Eltern zu weinen“, wird der Philosoph gleich zu Beginn von Maria Solruns „Adam“ zitiert, und auch der gleichnamige Protagonist ist da ­keine Ausnahme. Denn der taube 20-Jährige ­erzählt im Off-Kommentar von seiner Mutter, die ­Techno-Musikerin war und sich in einem Kreislauf aus Abstürzen mit Alkohol und Drogen sowie Aufenthalten in der Psychiatrie bewegte.

Unicorno
Tabela Films Zeca Miranda

Jetzt leidet sie unter dem Korsakow-Syndrom, einer schweren Form von Hirnschädigung nach Alkoholmissbrauch. Adam ist daher nun größtenteils auf sich allein gestellt: Wie geht er damit um, dass er irgendwann aus der Wohnung raus muss? Dass die Mutter kaum noch anwesend ist? Dass sie am liebsten tot wäre? Der isländische Jungschauspieler Magnús Mariuson schultert seine Rolle mit gewissem Eigensinn und einer Sehnsucht nach Nähe.

Wie „Adam“ öffnen in diesem Jahr auch ­andere Beiträge Fenster in die Wirklichkeit unterschiedlichster Kulturen und Länder. Immer ­wieder ­setzen sie auf Realismus und einen authentischen Blick – wie in Nanouk Leopolds „Cobain“ über den gleichnamigen Teenager, der ebenfalls mit den Problemen seiner drogensüchtigen Mutter ­konfrontiert wird.

In Kasper Rune Larsens Debüt „Danmark“ wird die schwenkende Handkamera zum anwesenden Beobachter einer Teenagergeneration in einer dänischen Provinzstadt: mittendrin in der Clique bei Josephine und dem kiffenden Rumhänger Myre, die eher unverhofft ein Paar werden, nachdem sie nach einer schnellen Nummer angeblich von ihm ein Kind bekommt. Die Dialoge musste das junge Ensemble improvisieren, das dabei aber ganz echt und naturalistisch eingefangen wirkt.

Das Spiel von Mala Emde und Anton Spieker in Hans Weingartners Roadmovie „303“ scheint ebenfalls geradewegs aus dem Leben gegriffen. Sie verkörpern Jule und Jan: Beide studieren, beide sind 24 und nach einer Zufalls­bekanntschaft nun in Jules altem Wohnmobil zusammen unterwegs Richtung Südwesteuropa. Er will endlich einmal seinen leiblichen Vater in Spanien kennenlernen. Sie ist auf dem Weg zu ihrem Freund in Portugal. Die Fahrt ist lang und bietet genug Zeit für Diskussionen: über Kapitalismus, Darwin, Einsamkeit, über ihre Leben und Lieben und das, was die Menschheit wirklich weiterbringen könnte. Die Systemkritik, die Weingartner ja nicht nur in „Die fetten Jahre sind vorbei“ geübt hat, klingt auch hier wieder an.

„Unicórnio“ des Brasilianers Eduardo Nunes gehört hingegen zu den Filmen, der den ­Wirklichkeiten vieler anderer Produktionen kontrastreich etwas entgegensetzt. Gleich zu Beginn schwenkt die Kamera auf ein Einhorn, das wie selbstverständlich am Waldrand grast. Im Zentrum steht aber ein Mädchen, das mit seinem Vater in einem weißgekachelten Raum sitzt und mit ihm über Gott, Labormäuse und die Welt spricht. In meditativer Langsamkeit gleitet die Kamera durch die verschiedenen ­Erzählebenen und fängt die mysteriösen Ereignisse mit einem ­magischen Realismus ein: in intensiven Farben und Breitwand-Bildkompositionen.

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