Berlinale 2018 – Forum expanded

Mondsinfonie

Avantgardeduett: Morgan Fisher antwortet mit Another Movie auf Bruce Conners Überwältigungsklassiker A Movie aus dem Jahr 1958

Another Movie
Foto Morgan Fisher

Einer der berühmtesten Avantgardefilme stammt aus dem Jahr 1958 und spielt schon im Titel mit seinem selbstbewussten Anspruch: „A Movie“ von Bruce Conner ist tatsächlich natürlich zuerst einmal „Ein Film“ (wenn auch keiner wie viele andere), in gewisser Hinsicht ­handelt es sich dabei aber auch um „The Movie“, also um „den Film“, zusammengesetzt aus Schnipseln. „A Movie“ ist eine ­große Collage, mit Pinups neben Atompilzen, mit erhabenen ­Momenten und haarsträubender Komik. So richtig unvergesslich aber wird Conners Meisterwerk durch die Verbindung von Bild und Ton. Als Soundtrack wählte der 2008 in San Francisco gestorbene Experimentalfilmer ein Orchesterstück: „Die Pinien von Rom“ von Ottorino Resphigi. Bei Conner aber wird daraus ein Verstärker für die ­Absurdität, die den überwältigenden Eindruck von „A Movie“ bestimmt.

Nun hat der amerikanische Experimentalfilmer Morgan Fisher eine Antwort auf Conners Meisterwerk gemacht – einen Film voller Hintersinn, und auch hier wieder ist schon der Titel von großem Belang: „Another Movie“, das klingt auch wieder beiläufig, und tatsächlich könnte man sich zu „A Movie“ jede Menge „anderer Filme“ vorstellen. Aber Fisher ist nun einmal der wahrscheinlich derzeit klügste Kenner und Überarbeiter der langen Tradition des westlichen Avantgardekinos, und so ist „Another Movie“ dann auch weit mehr als nur ein alternativer Vorschlag zu dem Werk von Conner. Es ist auch eine Kritik von „A Movie“, und zugleich eine Würdigung, wobei sich die Ehrenerklärung vor allem auf Resphigis Musik bezieht. Fisher legt Wert darauf, dass „Another Movie“ so gezeigt wird, wie „Die Pinien von Rom“ nach Wunsch des Komponisten gespielt werden sollen: im Fortissimo. Laut.

Das Bild hingegen ist bei Fisher leise. Die ersten paar Minuten ist es vollends dunkel, dann bricht unvermutet ein Mond durch die Finsternis, am Ende ist wieder tiefe Nacht. Vor diesem nahezu abstrakten Drama einer Scheidung von Licht und Dunkel (also einem impliziten Schöpfungsakt) vollzieht sich das konkrete Drama des Musikstücks.

Morgan Fisher operiert also historisch-kritisch, wenn man so will, er legt an Conners Klassiker das zentrale Prinzip der Effektpotenzierung frei, indem er einen Effekt (den visuellen) zurücknimmt und den anderen (die Musik) in seiner Originalkonzeption zugänglich macht. So ist „Another Movie“ zugleich eine Entzauberung wie auch eine Wiederverzauberung eines großen Vorbilds.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin