„DAU. Natasha“ kann man auf zwei Weisen sehen. Entweder als ein Exzerpt aus einem viel größeren Kunstprojekt, von dem man auch nach den zweieinhalb Stunden nur eine sehr vage Ahnung haben wird. Oder einfach als einen Spielfilm, der eine Begebenheit aus der Sowjetunion auf eine Weise erzählt, die ein wenig an Dogma 95 oder ähnliche Ästhetiken des nicht perfekt Geplanten und der gesuchten Grenzerfahrung erinnert
Die Figur, auf die der Titel verweist, arbeitet in der Stalinzeit gemeinsam mit ihrer jüngeren Kollegin Olga in der Kantine eines geheimen Forschungsinstituts (in dem ein eher parawissenschaftliches Projekt verfolgt wird). Natasha lernt einen französischen Physiker kennen, und geht mit ihm ins Bett. In der Folge bekommt sie es mit der Staatssicherheit zu tun.
„DAU. Natasha“ besteht im wesentlichen aus drei längeren Sequenzen. Nach der Sexszene versteht man ein bisschen besser, warum Ilya Krzhanovskiy und Jekaterina Oertel so großen Wert auf Detailauthentizität bis zur Unterwäsche gelegt haben (davon war in vielen Berichten die Rede). Man spürt da tatsächlich, wie sich die Sowjetunion angefühlt haben könnte, und um diesen Effekt geht es bei DAU wohl. Das lange Besäufnis von Natasha und Olga wird für Menschen, die jemals auch nur eine Castorf-Inszenierung gesehen haben, durchaus vertraut wirken. Und bei der kontroversen Verhörszene (die im Vorfeld gelegentlich als tatsächliche Vergewaltigung dargestellt wurde) bekommt man zwar einen Eindruck von der Macht, die der Stalinismus über die Individuen hatte, aber es sieht eigentlich alles wie ein Kunstfilm aus einer Zeit aus, in der noch Tabus zu brechen waren.
Als einzelner Film wirkt „DAU. Natasha“ eher wie eine Skizze für ein Vorhaben, das als großes Filmfresko vielleicht tatsächlich eine andere Qualität bekommen könnte. Vorläufig aber bleibt der Eindruck von künstlerischen Strategien des 20. Jahrhunderts in einem Irrläufer über den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts. Bert Rebhandl
Termine: DAU. Natasha bei der Berlinale
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