Heulen und Zähneklappern waren groß, als 1970 den Berlinale-Machern das Festival um die Ohren flog. Der Skandal, den der deutsche Wettbewerbsbeitrags „o.k.“ von Michael Verhoeven auslöste, sorgte nicht nur für den ersten und bisher einzigen Abbruch des Festivals, sondern läutete auch die Gründung des Internationalen Forum des Jungen Films 1971 ein. Ulrich und Erika Gregor und ihre Mitstreiter*innen schufen mit ihrem dezidiert politischen und poetischen Blick eine Sektion, die wie keine andere dieses Festival bis heute prägt

Anlässlich des 50. Geburtstages laufen die Filme des Gründungsjahres 1971. Ohne Angst vor Experimenten und Subversion werden lustvoll narrative und formale Grenzen gesprengt. o.k., der Skandalfilm, der den Vietnamkrieg in den Bayerischen Wald verlegte, ist ebenso im Programm wie Rosa von Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Dieser Klassiker war damals äußerst umstritten und gilt als Initialzündung für Filme der Schwulenbewegung. Eine Prämie für Irene, Helke Sanders erster Langfilm, handelt von der Rebellion der Arbeiterinnen in einer Waschmaschinenfabrik.
Eine Sache, die sich versteht (15x) von Harun Farocki: Der Bildpraktiker, Theoretiker sowie Weggefährte Christian Petzolds macht es dem Publikum nicht leicht. Der Anspruch: Ein „Verständnisprozess von Arbeitswerttheorie und Wertgesetz, Entfremdung und Fetisch“ soll in Gang gesetzt werden.
Ebenfalls im Programm: W.R. – Misterije Organizma von Dušan Makavejev. Der assoziativ montierte Dokumentarfilm über Wilhelm Reich verstört nicht nur formal. Gezeigt werden außerdem Ossessione, Luchino Viscontis neorealistisches Meisterwerk von1942, sowie Filme von Alexander Kluge, Chris Marker, Nagisa Oshima, Theo Angelopoulos, Sarah Maldoror, Jean-Marie Straub und Danièle Huillet.
Der Jahrgang 1971 spiegelt eine Aufbruchszeit von jungen Filmemacher*innen aus dem eher linken Spektrum, die heute zu den Meister*innen ihres Fachs zählen. Wer die Bedeutung des Forums für die letzten 50 Jahre des Festivals erahnen will, dem soll die These mit auf den Weg in die Kinosäle gegeben werden, dass der kritische Geist des Forums mittlerweile längst im Wettbewerb angekommen ist.
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