„Slow West“ hieß der ungewöhnliche Western eines schottischen Regisseurs, der vor ein paar Jahren in den deutschen Kinos lief. An diesen Titel musste ich im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb nicht nur während Kelly Reichardts Neo-Western First Cow denken, sondern auch bei dem neuen Film von Eliza Hittman

‚Slow Moves‘ wäre ein passender Titel für die beiden neuen Filme gewesen (wenn auch bei weitem nicht so schön wie die tatsächlichen Titel). Langsamkeit bedeutet hier die ruhige Beobachtung, die beiden Filmen etwas nüchtern-dokumentarisches verleiht. Dabei ist die Geschichte von „Never Rarely Sometimes Always“ mit großen Emotionen besetzt. Denn die 17jährige Autumn muss feststellen, dass sie schwanger ist. Was im kleinstädtischen Amerika unter dem jetzigen Präsidenten in immer mehr Bundesstaaten ein Problem ist, wenn die Frau das Baby nicht bekommen will. In einer örtlichen Beratungsstelle – betrieben von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen – wird der Schwangerschaftstest mit Hilfsmitteln aus dem Supermarkt durchgeführt. Entsprechend ungenau ist das Resultat.
Das aber erfährt Autumn erst in New York, wohin sie mit ihrer Cousine Skylar aufbricht, um das Problem endgültig in den Griff zu bekommen – denn in Pennsylvania dürfte sie die Abtreibung nur mit Genehmigung ihrer Eltern durchführen. Wie die beiden jungen Frauen sich mit ihrem Rollkoffer durch fremdes Territorium bewegen, das nimmt manchmal schon absurde Züge an. Was ein Ein-Tages-Trip sein sollte, wird zu zwei langen Tagen und Nächten in der Fremde, für die die Zwei gar nicht das Geld dabei haben. Was leicht ein Themen-Film hätte werden können, erweist sich in der Inszenierung von Eliza Hittman („Beach Rats“) als sensibles Porträt, äußerst ökonomisch erzählt und mit zwei überzeugenden Hauptdarstellerinnen (von denen die ‚Autumn‘-Darstellerin Sidney Flanigan hier zum ersten Mal vor der Kamera steht), ein großer Film der kleinen Gesten – besonders der ‚pinkie‘ kurz vor Schluss bleibt im Gedächtnis. Frank Arnold
Termine: Never Rarely Sometimes Always bei der Berlinale
Weitere Rezensionen zum Berlinale-Wettbewerb:
Wettbewerb: Rezension von „El prófugo“ von Natalia Meta
Wettbewerb: Rezension von Giorgio Dirittis „Hidden Away“ („Volevo Nascondermi“)
Wettbewerb: Rezension von Kelly Reicharts „First Cow“
Wettbewerb: Rezension von Philippe Garrels „Le sel des larmes“
Wettbewerb: Rezension von Christian Petzolds „Undine“
Wettbewerb: Rezension von Caetano Gotardos und Marco Dutras „Todos os Mortos“
Wettbewerb: Rezension von Benoît Delépine und Gustave Kerverns „Effacer l‘historique“ („Delete History“)
Wettbewerb: Rezension von Abel Ferraras „Siberia“
Wettbewerb: Rezension von Stéphanie Chuats und Véronique Reymonds „Schwesterlein“
Wettbewerb: Rezension von „Favolacce“ der Gebrüder D’Innocenzo
Wettbewerb: Rezension von Hong Sang-soos „Domangchin yeoja“ („The Woman Who Ran“)
Mehr zur Berlinale 2020
Die wichtigsten Infos zu den 70. Internationalen Filmfestspielen Berlin
Christian Petzold ist dabei! Ein Kommentar zum Berlinale Wettbewerb
Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian sind die neuen Chefs der Berlinale
Gut essen & trinken während der Berlinale
Die wichtigsten Veranstaltungen und Locations der Berlinale 2020
Die Goldenen Bären 2010 bis 2019
Diese Filme laufen im Wettbewerb der Berlinale 2020
Jonas Dassler ist Shooting Star der Berlinale 2020
Alfred Bauer, der Nationalsozialismus und die Berlinale. Ein Kommentar von Bert Rebhandl
Ticker zur Berlinale – Alle News, Stars und Stories zu den Filmfestspielen
Berlinale-Tickets: Alle Informationen zum Vorverkauf
Braucht die Welt eine Revolution? Fünf Berlinale-Filme zu einer Streitfrage der Gegenwart
Gespräch mit den neuen Berlinale-Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian
Afrika bei der Berlinale: Zehn Filme, die sich mit dem Kontinent auseinandersetzen
Hat der Planet noch eine Chance? Fünf Berlinale-Filme zum Thema, Klima, Umweltschutz und Natur
Ist die Zukunft des Kinos weiblich? Zehn spannende Regisseurinnen bei der Berlinale
High Heels auf Fischernetzen – Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei der Berlinale
Wie steht es um den deutschen Film? Die zehn wichtigsten Produktionen aus Deutschland
Wann beginnt die Gegenwart? Fünf große filmhistorische Momente auf der 70. Berlinale
Der Goldene Ehrenbär geht 2020 an Dame Helen Mirren
„Generation 14plus“ nimmt junge Zuschauer ernst
Die „Retrospektive“ würdigt den Hollywood-Regisseur King Vidor
Der hiesige Regie-Nachwuchs in der „Perspektive Deutsches Kino“ schaut auf Horror und Heimat
50 Jahre „Forum“ – Das Jubiläumsprogramm 2020
Die Wettbewerbs-Sektion „Encounters“ wendet sich besonders wagemutigen Produktionen zu
Dank der Pionierarbeit der Sektion „Panorama“ ist die Berlinale ganz schön queer
Sigourney Weaver spielt die Hauptrolle im Berlinale-Eröffnungsfilm „My Salinger Year“
Eine Begegnung mit Christian Petzold aus Anlass seines neuen Films „Undine“, der im Berlinale-Wettbewerb läuft
Berlin Alexanderplatz: Welket Bungué und Jella Haase im Gespräch