„Du bist ein Fehler! Du verdienst es nicht, zu existieren!“ Gerade einmal sechs, sieben Jahre alt ist Antonio Ligabue, als im ein Lehrer diese Worte an den Kopf wirft. Schon in diesen jungen Jahren ist Antonio ein Außenseiter, zeigt erste Anzeichen der Verhaltensauffälligkeiten, die sein Leben prägen werden. Ein Leben, das Giorgio Diritti in seinem Film „Volevo Nascondermi“ in penibler, fast schon pedantischer Genauigkeit nachzeichnet.

In Zürich geboren, wurde Antonio im Alter von 20 Jahren aus der Schweiz nach Italien ausgewiesen, in die Heimat seiner Mutter. Er treibt sich rum, wird von alt und jung gepiesackt, erst der bekannte Maler Marino Mazzacurati wird zum rettenden Engel, gibt ihm Obdach und vor allem Stift, Farben, Pinsel. Denn Antonio beweist erstaunliches Talent, zeichnet, formt Skulpturen, malt Gemälde, die von grellen Farben und naturalistischer Darstellung von Tieren geprägt sind und die inzwischen, lange nach seinem Tod, als Höhepunkte der italienischen Art Brut gelten.
Doch es geht Diritti nicht darum, von einem jener Außenseiter zu erzählen, die das Kino so liebt, einem irgendwie anderen Menschen, der eine besondere Gabe besitzt und dadurch seine Andersartigkeit transzendiert. Hier wird nichts überwunden, hier gibt es kein Entkommen vor dem Schicksal. Punkt für Punkt wird Antonios Leben erzählt, sein Leiden steht gleichberechtigt neben seinen Erfolgen, kleine Momente des Glücks neben den vielen Momenten des Leides. Ganz wenige Worte spricht Hauptdarsteller Elio Germano, der sich mit ganzem Körpereinsatz in die Rolle eines Mannes stürzt, der zum Opfer seiner Andersartigkeit wird. Um das Böse aus sich hinauszulassen, schlägt sich Antonio immer wieder die Schläfen blutig, kasteit sich in gewisser Weise selbst, doch Erlösung ist ihm nicht vergönnt. Vollkommen unsentimental und schonungslos inszeniert Diritti diesen Leidensweg, aus dem es in diesem Leben kein Entkommen gibt. Michael Meyns

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