Kommentar

Berlinale 2021: Nun kommt die Filetierung der Filmfestspiele

Ein physisches Festival im Einklang mit den Anweisungen des Robert-Koch-Instituts: das war bis zuletzt die offizielle Position der Berlinale, wenn es um die zunehmend dringender werdende Frage ging, wie denn das Filmfestival im Februar konkret stattfinden sollte.

Zuletzt war natürlich schon klar gewesen, dass das – ungefähr acht Wochen vor dem geplanten Termin – nicht zu realisieren sein würde. Aber was wäre dann ein realistisches Szenario für die Berlinale 2021? Absage? Verschiebung? Alles ins Netz? Ein Kommentar.

Berlinale-Ticketverkauf im Februar 2020: Szenen, die derzeit so nicht möglich wären. Foto: Imago/Friedel

Pläne laufen auf eine Filetierung der Berlinale 2021 hinaus

Am Mittwoch hat das führende Branchemagazin „Variety“ nun erste konkrete Hinweise veröffentlicht, wie die 71. Berlinale tatsächlich stattfinden könnte. Mit dem Festival abgesprochen war das wohl nicht. Was sich vorerst abzeichnet, klingt alles einigermaßen logisch, und läuft im Grunde auf eine Filetierung der Berlinale 2021 hinaus. Schon länger war das „physische Festival“ nur eine vage Absichtserklärung – und mit dem Ausstieg von Audi hatte es im Sommer schlechte Nachrichten gegeben.

Unter Dieter Kosslick ist das Festival ja zu Dimensionen angewachsen, die für alle Virologen in Zeiten von Covid-19 ein Alptraumszenario ergeben würden. Allein der Filmmarkt ist ein eigenes Paralleluniversum, zugleich ist es eben Berliner Spezifikum, dass auch die ganze Stadt was vom Festival haben soll, und man Filme aus dem Wettbewerb auch noch in riesigen Sälen in der Urania oder im Friedrichstadtpalast unter die Menschen bringt, und dass ein Kino wie das Cubix am Alexanderplatz zehn Tage lang die Türen öffnet für neueste Filmkunst aus Rumänien, Thailand oder Lesotho im Forum oder im Panorama.

Ein realistisches Hygienekonzept für die bisherige Berlinale-Form ist eine Utopie

Mit einem Wort: für das, was die Berlinale im Februar 2020 gerade noch so war, gibt es zur Zeit kein realistisches Hygienekonzept. Die Konkurrenz in Cannes stand im vergangenen Frühling vor einem vergleichbaren Problem, vor dem Chatrian und Rissenbeek jetzt stehen. Eine Absage wurde so lange wie möglich hinausgezögert, um Zeit zu gewinnen für Alternativen.

Mariette Rissenbeek (Geschäftsführerin Berlinale) und Carlo Chatrian (Künstlerischer Leiter Berlinale) bei Preisverleihung der 70. Internationalen Filmfestspiele. Foto: Imago/Seelinger

Die Verantwortlichen sind wirklich nicht zu beneiden angesichts der täglich wechselnden Infektionszahlen und einer politischen Landschaft, die zunehmend größere Schwierigkeiten zeigt, die Situation ihrerseits plausibel zu interpretieren.

Die Herausforderung für die Berlinale sieht in etwa so aus:

  • Sie will und muss einen Wettbewerb ausrichten, das gehört zu ihrem Profil als A-Festival (Cannes hat 2020 schließlich einen Wettbewerb gehabt, der de facto einfach aus einer Filmliste bestand.)
  • Sie muss eine Lösung finden für den Markt, der nicht zuletzt seiner ökonomischen Bedeutung wegen unverzichtbar ist.
  • Und sie muss sich überlegen, ob und wann 2021 ein Publikumsfestival realistisch ist.

Dies alles vor dem Hintergrund einer Berliner Kinolandschaft, in der alle Betreiber maximalen Ertrag nach Wiedereröffnung benötigen, um ihre Verluste aus 2021 irgendwann zu kompensieren. So wird also auch der Start des neuen James Bond-Films „Keine Zeit zu sterben“ für die Berlinale relevant, denn das Cubix beispielsweise wird dann wohl eher damit Kasse machen wollen, als sich für die Berlinale bereitzuhalten.

Online-Szenario für den Markt im März tatsächlich denkbar

Superstars wie Helen Mirren bringen Glamour in die Stadt – bei einem Online-Festival müsste Berlin darauf dann verzichten. Foto: Imago Images/Future Images

Für den Markt ist am ehesten ein Online-Szenario denkbar, das bedeutet auch, dass er eventuell früher stattfinden könnte, wobei Februar jetzt auch schon unwahrscheinlich ist. Aber ein Berlinale-Termin in März, wie das in „Variety“ angedeutet wird, ist durchaus denkbar. Gleichermaßen gilt das für den Wettbewerb, bei dem es, wie das Beispiel Cannes gezeigt hat, tatsächlich in gewisser Hinsicht vor allem darauf ankommt, dass die Titel nominiert werden. Die kann man dann auch der Branche weltweit online zugänglich machen.

Und für das Publikum bleibt die Hoffnung, dass bis Juni mit besserer Jahreszeit und hoffentlich positiven Effekten der Impfung ein bisschen Normalität in das Leben zurückkehrt. Das wäre in der Konsequenz eine filetierte oder gestaffelte Berlinale, wobei dann die anderen Sektionen wie das Panorama und der Forum (mit dem Forum Expanded) ihre jeweils eigenen Lösungen (und Termine) suchen und finden müssten.

Update: Inzwischen hat die Berlinale sich offziell erklärt: Das Festival wird in zwei Teilen stattfinden. Der erste Teil für die Branche im März wird vor allem den European Film Market umfassen und als Online-Veranstaltung organisiert werden. In diesem Rahmen soll es auch einen Wettbewerb samt Jury und Preisentscheidungen geben. Im Juni soll ein Publikumsfestival stattfinden, bei dem dann auch die Filme aus dem Wettbewerb in Kinos laufen und die Preise vergeben werden.


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