Für eine Weile konnte man meinen, die Jury für den Wettbewerb der Berlinale 2022 wollte konsequent fast nur Frauen auszeichnen, bis dann doch noch eine Ausnahme auftauchte. Insgesamt aber waren die Bären nie weiblicher. Hier die Übersicht über die wichtigsten Entscheidungen von der Abschlussgala der 72. Berlinale.
Goldener Bär für Besten Film: „Alcarràs“ von Carla Simón
Die spanische Regisseurin Carla Simón gewinnt mit einem sensiblen Familienporträt, das zugleich eine starke politische Parteinahme enthält, und bedankt sich mit den Worten: „Ich sollte vielleicht nach Berlin umziehen. Hier passiert mir immer etwas Gutes.“ Hier die tipBerlin-Festivalkritik zu „Alcarràs“.
Silberner Bär Großer Preis der Jury: „The Novelist’s Film“ von Hong Sang-soo
Der koreanische Liebling der männlichen Kinosensiblen wirkte echt überrascht und holte dann spontan seine Muse, Hauptdarstellerin und Partnerin Kim Min-Hee auf die Bühne, die auf Koreanisch dem Publikum bei der Premiere am letzten Wettbewerbsmorgen dankte. Unsere Festivalkritik zu „The Novelist’s Film“ lest ihr hier.
Silberner Bär Preis der Jury: „Robe of Gems“ von Natalia López Gallardo
Die mexikanische Regisseurin war bisher vor allem als Mitarbeiterin von Carlos Reygadas bekannt, in dessen „Nuestro Tiempo“ man sie auch in einer spannenden Rolle als „sie selbst“ sehen konnte. Nun tritt sie mit einem Sozialdrama endgültig aus dem Schatten ihres Mannes. Die Filmkritik zu „Robe of Gems“ findet ihr hier.
Silberner Bär für die beste Regie: Claire Denis für „Avec amour et acharnement“
Die Grande Dame des experimentellen französischen Kinos bedankte sich bei allen Mitabeiter:innen und sprach von einer „mise es scene tres simple“, damit traf sie ganz gut den Stil dieser Dreiecksgeschichte mit Juliette Binoche: „alles ganz einfach“, sehr spontan. Unser Kritiker war sehr beeindruckt: Die Kritik zu „Avec amour et acharment“ findet ihr hier.
Silberner Bär für die beste Hauptrolle: Meltem Kaptan in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“
„Für alle Mütter, die Grenzen überwinden“ – so widmete die Comedienne Meltem Kaptan ihren Preis für ihre Rolle in dem Film von Andreas Dresen, in dem sie zum ersten Mal im Kino zu sehen ist, und zwar mit einer unwiderstehlichen Energie. Wir hatten den Film schon im Bärenorakel auf dem Schirm. „Kann sich sehen lassen“, das befand auch unser Autor in seiner Kritik zu „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“.
Silberner Bär Bestes Drehbuch: Laila Stieler mit „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“
Laila Stieler arbeitet seit den 1990er Jahren immer wieder mit Andreas Dresen zusammen, für diese Geschichte musste sie sich ihm als Autorin fast ein wenig aufdrängen, wie sie dem tipBerlin vor der Berlinale erzählte. Der Lohn ist nun ein Silberner Bär für die herausragende Drehbuchautorin.
Silberner Bär für beste Nebenrolle: Laura Basuki in „Nana“
„This is for Indonesia“: Laura Basuki war per Video zugeschaltet, den Preis nahm die Regisseurin Kamila Andini entgegen. Die Auszeichnung ging an ein nuancenreiches Porträt einer Hälfte einer Frauenfreundschaft in einer patriarchalen Familie in Indonesien vor sechzig Jahren. Hier die tipBerlin-Festivalkritik zu „Nana“
Mehr zur Berlinale 2022
Lest auch unseren Berlinale-Blog mit allen Kritiken zu den Wettbewerbsfilmen und unser Interview mit der Preisträgerin Meltem Kaptan über ihre Rolle als Rabiye Kurnaz. Alles über die Filmfestspiele: Hier ist unser Überblick zur Berlinale 2022. Das kuratorische Duo hat einen Berlin-Film von 1987 wiederentdeckt: Wir sprachen mit den Menschen hinter der Reihe „Fiktionsbescheinigung“. Was läuft sonst? Das aktuelle Kinoprogramm für Berlin findet ihr hier.