Berlinale 2022

Sinnlichkeit und sanfter Widerstand: „Nana“ von Kamila Andini

Was wissen wir aus Indonesien in den 1960er Jahren? Für die meisten Menschen im Berlinale-Publikum ist das wahrscheinlich ein blinder Fleck. Aber Filmfestivals sind gerade dann spannend, wenn sie neue Welten erschließen. „Nana“ von Kamila Andini hat den tipBerlin-Kritiker Michael Meyns auf historische Bildungslücken gebracht, die sich allerdings umso leichter verkraften lassen, als die Regisseurin einen ästhetisch starken Film gemacht hat.

„Nana“ von Kamila Andini. Foto: Batara Goempar

Zwischenbilanz nach der Hälfte des Wettbewerbs: es ist eine Berlinale der Frauen, wie auch „Nana“ von Kamila Andini zeigt

Knapp die Hälfte des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs ist vorbei, so dass getrost gesagt werden kann: Es ist das Jahr der Frauen und ihrer Geschichten. Nicht nur, dass bei jedem zweiten Film eine Frau Regie führte, auch die Themen, die verhandelt werden, die Figuren, die im Mittelpunkt stehen, sind in erster Linie Frauen. Was nicht heißt, dass keine Männer vorkommen, aber das vermeintlich starke Geschlecht spielt bislang meist eine Nebenrolle und sieht, vorsichtig ausgedrückt, oft nicht wirklich gut aus.

Auch „Nana“, ein Film von Kamila Andini, der erste Film aus Indonesien im Wettbewerb der Berlinale. ist so ein Film, der sich mit Frauen, ihrer Unterdrückung, ihrem Widerstand gegen die patriarchalischen Strukturen beschäftigt. Er beginnt in den 50er Jahren, als der kommunistische Diktator Sukarno gerade die Macht an sich gerissen hat. In den Wirren ist Nanas (Happy Salma) Mann verschwunden. Jahre später ist die Situation sowohl im Land als auch in Nanas Leben stabil, zumindest auf den ersten Blick. Sie ist mit dem deutlich älteren Herr Darga (Arswendy Bening Swara) verheiratet, hat diverse Kinder, zu denen sie ein inniges, aber unterschwellig doch distanziertes Verhältnis hat. Doch aus der Ruhe bringt diese Frau nichts, weder die etwas abfälligen Blicke der anderen Ehefrauen, für die sie wenig mehr als eine Person ist, die gut geheiratet hat, noch die Entdeckung, dass ihr Mann eine Affäre mit Ino (Laura Basuki) hat.

„Nana“ von Kamila Andini. Foto: Batara Goempar

Doch wie frei ist Nana in ihrem Wesen, wie sehr agiert sie nur so, wie die restriktiven Strukturen einer patriarchalischen Gesellschaft, noch mehr die einer Diktatur es vorschreiben und verlangen? Unterschwellig stellt Kamila Andini in ihrem vierten Film diese Fragen, sehr unterschwellig, denn „Nana“ mutet oft wie eine indonesische Version von Wong Kar-Wais „In the Mood for Love“ an: Die Bilder, die wie durch einen sanften Gaze-Schleier gefilmt wirken, die unterdrückten Emotionen, die mehr verbergen, als sie zeigen, der leichte Schweißfilm, der angesichts der Hitze auf den wenigen nackten Körperoberflächen liegt, nicht zuletzt die Musik, die Walzertöne und zeitgenössische Popsongs kombiniert. Für den westlichen Blick mutet „Nana“ unweigerlich exotisch an und bietet das, was ein internationales Filmfestival so gut kann: Einblicke in eine fremde Kultur. Dass man nicht alles versteht, dass gerade die Nuancen der politischen Situation kaum verständlich bleiben, stört dabei nicht.


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