Berlinale 2023

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“: Allzu konventionell erzählt

Margarethe von Trotta, eine der großen Regisseurinnen des deutschen Kinos, erzählt in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ vom Liebesleben der leidenschaftlichen und zerbrechlichen Schriftsteller. Vicky Krieps in der Hauptrolle ist das Sehenswerteste daran.

Vicky Krieps im Film „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“: Foto: Wolfgang Ennenbach

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“: Margarethe von Trottas erster Wettbewerbsbeitrag

Es ist tatsächlich ihre erste Einladung in den Wettbewerb um den goldenen Bären. Dabei wird Margarethe von Trotta, geboren am 21. Februar 1942, zwei Tage nach der Premiere ihres neuen Films „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ schon 81 Jahre alt. Und sie ist eine der wichtigen deutschen Regisseurinnen. Das sagt viel über die deutsche Filmszene und auch über die männerdominierte Berlinale.

Jetzt aber, vielleicht auch als eine Art späte Wiedergutmachung. Für ihren Film über Ingeborg Bachmann, neben Brigitte Reimann in den 1960er Jahren die wohl spannendste Autorin in deutscher Sprache, hat Margarethe von Trotta die Strategie zweier ineinandergreifender Erzählstränge gewählt. Da ist zum einen die Entwicklung der Liebesbeziehung zwischen Bachmann und Max Frisch von der ersten Begegnung in Paris bis zur „Katastrophe“ (Bachmann) ihrer Trennung, und zum anderen Bachmanns spätere Reise in der Wüste gemeinsam mit dem Schriftsteller Adolf Opel. 

Sex mit drei Männern

In der Wüste lässt sich Bachmann in den heißen Sand eingraben, bis sie fast stirbt, und es erfüllt sich ihr Wunsch nach Sex mit drei jungen Männern. Ansonsten ist nicht so klar, was die Funktion dieser Wüstenszenen ist, außer vielleicht, dass Ingeborg Bachmann als eine unkonventionelle, sich nach Freiheit sehnende Frau bei gleichzeitig fragiler physischer und psychischer Verfassung charakterisiert wird.

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Powerpaar der Literaturszene

Die Trennung von Frisch, daran lassen die von ihr eingeworfenen Tablettenmengen keinen Zweifel, treibt sie weiter in Richtung Tod. Vier Jahre lang waren sie das Powerpaar der Literaturszene, und zwar in einer offenen Beziehung. Ingeborg zieht für Max nach Zürich, wo sie nicht schreiben kann, weil im ganzen Haus Frischs handfestes Tippen auf der Schreibmaschine dröhnt („deine Kalaschnikow“, sagt Bachmann). Bachmann ist schwierig und nervös, er dagegen – trotz seiner liberalen Attitüde – doch nur ein zeittypischer Chauvinist und einer modernen Beziehung nicht gewachsen. Immer wieder fordert er, von ihr ein Essen auf den Tisch gestellt zu bekommen, ist extrem eifersüchtig, wenn sie mit anderen Männern redet, kann es nicht ertragen, professionell in ihrem Schatten zu stehen. 

Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld in Margarethe von Trottas Film „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“. Foto: Wolfgang Ennenbach

Die Beziehung einer beruflich erfolgreichen Frau scheitert am konservativen Rollenverständnis ihres Mannes. Neu ist das nicht, und leider auch sehr konventionell und deutlich erzählt. Bachmann ist mit Vicky Krieps („Sisi“) feinnervig besetzt, Ronald Zehrfeld als Frisch eine Überraschung, allerdings kommt er nicht gegen die Stereotypen des Drehbuchs an. Und die vielen, von Krieps zitierten wundervollen Bachmann-Sätze wie „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ und „Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein“ lassen zwar erkennen, wie sehr Margarethe von Trotta die österreichische Autorin verehrt, viel mehr dann aber leider auch nicht. Stefanie Dörre


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