John Trengove will alle Männerkrisen der Gegenwart in einen Film packen. Das klappt nicht ganz, immerhin aber hat er in „Manodrome“ einen Hauptdarsteller, der mit gebeutelten Charakteren ganz in seinem Element ist: Jesse Eisenberg.
Gegenteil der Gynosphäre: Das Manodrome
Bekanntermaßen sind die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern kompliziert. Die klassischen Rollenmodelle sind überholt, doch die Frauen haben noch lange nicht die Hälfte vom Kuchen, während die Männer sich bereits jetzt zu kurz gekommen fühlen. Ohnehin ist das Bild der Männlichkeit erschüttert, und ein neues, an die veränderten Zeiten angepasstes noch nicht wirklich gefunden. Natürlich gibt es inzwischen Hausmänner und Familienväter, die diesen Titel verdienen; aber es gibt auch jene, die „die guten, alten Zeiten“ wiederhaben wollen und jene, die überhaupt ganz abschließen mit den Frauen und mehr oder minder freiwillig zölibatär leben. Also jene, die der „Gynosphäre“, wie Dad Dan sie nennt, das „Manodrome“ entgegensetzen, das John Trengoves Irrfahrt eines modernen Mannes zu sich selbst den Titel gibt.
Das Geld ist knapp, der Druck im Kessel steigt
Ralphie, dessen Freundin schwanger ist, schlägt sich als Uber-Fahrer durch; das Geld reicht hinten und vorne nicht, aber für die Mucki-Bude immer, denn dort kann Ralphie sich wenigstens ein bißchen bestätigen und außerdem der Schaulust frönen. Die dräuende Vaterschaft allerdings lässt den Druck in seinem Kessel steigen – Identitätsfragen, Zukunftsangst -, und das bevorstehende Fest der Liebe holt unschöne Erinnerung an den Vater hoch, der Frau und Kind ausgerechnet am Weihnachtsabend hat sitzen lassen. Die Begegnung mit einem sektenartigen Männerhaufen scheint da zunächst wie eine Befreiung und hilfreiche Erkenntnisse sowie Wertschätzung zu bieten, fungiert dann jedoch als Katalysator hin zu einer massiven Eskalation.
Trengove hat das „Manodrome“-Drehbuch überfrachtet
Jesse Eisenberg, einer der ganz großen Darsteller von auf vielschichtige Weise negativen Charakteren, zwielichtigen Figuren und schlicht Unsympathen, hat in „Manodrome“ mächtig was zu tun und liefert als Ralphie einen Parforceritt durch die Abgründe und ins Verdrängte einer von zuviel fremdbestimmten Erwartungen vergifteten Seele. Das hilft ihm nur leider nicht aus der Bredouille, dass Trengove sein Drehbuch mit einfach ALLEM zum Thema krisenhafter Männlichkeit schlicht überfrachtet hat: vom traumatisierten Sohn einer alleinerziehenden Mutter über die verdrängte Homosexualität bis hin zur Gewaltexplosion aus schierer Ratlosigkeit, Vatermord inklusive. Alles schön und gut und tadellos gespielt, allerdings letztlich zu individualistisch, zu spezifisch und zu konstruiert, um als Kommentar zu den beunruhigenden Entwicklungen innerhalb der Geschlechterspannung tatsächlich zu taugen. Insofern nur halb klug und auch eine verschenkte Chance. Alexandra Seitz
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