Berlinale 2023

„Past Lives“ von Celine Song: Der vielleicht schönste Film im Berlinale-Wettbewerb

„Past Lives“, ein koreanisch-amerikanisches Drama um Vorherbestimmung und Partnerwahl, wird zum ersten echten Höhepunkt im Wettbewerb der 73. Berlinale – und auch zu ersten großen Überraschung. Die Kritik zum herausragenden Film von Celine Song.

Greta Lee und Teo Yoo in „Past Lives“. Foto: Jon Pack

„Past Lives“: Tausend Wiedergeburten auf dem Weg zum Glück

Im Koreanischen bezeichnet das Konzept des In-Yun eine Fügung, eine schicksalshafte Begegnung mit einem Menschen, den man in vergangenen Leben schon kannte und mit dem – oder natürlich der – man über Tausende Wiedergeburten eine zunehmend tiefe Verbindung aufgebaut hat. Von diesen Verbindungen, den Wegen des Schicksals, der Frage, ob das Leben vielleicht auch anders hätte ablaufen können, ob man, wenn Jahre vorher eine Winzigkeit anders gewesen wäre, nicht mit einer anderen Person zusammen wäre, erzählt der Film.

„Past Lives“ beginnt in der Gegenwart, mit einer kurzen Szene, die zwei Koreaner und einen Amerikaner zeigen, die in einer Bar sitzen. Zum Ende wird die Erzählung zu diesem Moment zurückkommen, wenn die Verhältnisse der Figuren deutlich geworden sind. 24 Jahre vorher waren Hae Sung und Na Young Klassenkameraden in Seoul, vor allem aber eine Jugendliebe, doch die Wege ihres Lebens trennten sich: Na Youngs Eltern zogen nach Toronto, fortan hieß sie Nora.

Dass „Past Lives“ Celine Songs Debüt ist, mag man kaum glauben

Zwölf Jahre später findet Hae Sung dank des Internets Nora wieder, beide studieren, sie inzwischen in New York, man facechattet, aber eine Zukunft scheint es für die beiden nicht zu geben. Er lernt in China eine Frau kennen, sie in Montauk – ein Schauplatz, der deutliche Max Frisch- und „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“-Schwingungen erzeugt – den New Yorker Arthur. Abermals zwölf Jahre später sehen sich Hae Sung und Nora endlich wieder, in New York, wo sie mit Arthur verheiratet ist.

Man mag kaum glauben, dass „Past Lives“ der Debütfilm der in Korea geborenen Dramatikerin Celine Song ist, so souverän, so berührend erzählt sie von den Wegen des Schicksals und der Liebe. Angesichts der Zeitsprünge mag man an eine kondensierte Fassung von Richard Linklaters „Before“-Trilogie denken, die ebenso wie „Past Lives“ vom Gefühl erzählt, in der Vergangenheit vielleicht eine Chance verpasst zu haben. Aber was, wenn das, was man stattdessen gefunden hat, genauso von einem tiefen In-Yun geprägt ist, wie das, was man hätte haben können?

Celine Song, Regisseurin von „Past Lives“. Der Berlinale-Wettbewerbsfilm ist ihr Debüt. Foto: Matthew Dunivan

Auf wunderbare Weise gelingt es Celine Song, gleichermaßen von einer verpassten und einer erfüllten Liebe zu erzählen, von Bedauern und Erfüllung. Einen schöneren, berührenderen Film dürfte es in diesem Berlinale-Wettbewerb kaum geben. Michael Meyns


Mehr zur Berlinale

Die Bären sind verliehen, die Preisträger der 73. Berlinale stehen fest. Hier die Infos zum Goldenen Bären und den Silbernen Bären: Preise der Berlinale 2023. Tickets, Termine und Spielorte: Wir haben die wichtigsten Infos zur Berlinale. Spaß auf der Berlinale: Die lustigsten Fotos vom roten Teppich. Was läuft, wie stehen die Chancen? Alle Berlinale-Wettbewerbsfilme und eine Aussicht auf Preise im Bärenorakel. Mit diesen Promis rechnen wir auf der Berlinale. Alle Texte zum internationalen Filmfestival in der Hauptstadt findet ihr auf unserer Themenseite zur Berlinale. Das Berlinale-Programmheft könnt ihr hier finden. Noch mehr Termine: Hier findet ihr die wichtigsten Filmfestivals 2023 in Berlin. Berlinale, schön und gut, aber was läuft sonst? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin. Mehr aus der Filmwelt lest ihr in unserer Kino-Rubrik.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin