Berlinale

Latin Lover: „Dreams“ von Michel Franco im Berlinale-Wettbewerb

Jessica Chastain ist in „Dreams“ in einer großen Rolle als reiche Amerikanerin, die mit einem mexikanischen Liebhaber spielt, zu sehen. Michel Franco seziert das Wesen der philanthropischen Klasse der USA. Die Filmkritik von Michael Meyns.

Isaac Hernández, Rupert Friend und Jessica Chastain (v.l.) in „Dreams“. Der Film läuft im Wettbewerb der Berlinale 2025. Foto: Teorema
Isaac Hernández, Rupert Friend und Jessica Chastain (v.l.) in „Dreams“. Der Film läuft im Wettbewerb der Berlinale 2025. Foto: Teorema

Die Dekonstruktion von westlichen Gutmenschentum könnte sich zu einem roten Faden dieser Berlinale entwickeln: Im Eröffnungsfilm „Das Licht“ versuchte eine von Nicolette Krebitz gespielte Frau in Kenia ein Tanzprojekt zu finanzieren und vergaß darüber fast ihre Berliner Familie, in Michel Francos Wettbewerbsbeitrag „Dreams“ ist es die von Jessica Chastain gespielte Millionärstochter Jennifer, die sich im benachbarten Mexiko engagiert, besonders intensiv für den jungen Tänzer Fernando (Isaac Hernández). 

Dass „Dreams“ kaum einen Monat nach Beginn der zweiten Amtszeit Donald Trump seine Weltpremiere erlebt, lässt ihn noch aktueller wirken

Ein gemeinsames Leben mit ihrem Liebhaber kann kann sich Jennifer zwar vorstellen, aber nicht in den USA. Mehr als gelegentliche Tête-à-Têtes südlich der Grenze will sie nicht zulassen, doch dann taucht Fernando plötzlich in Jennifers Loft in San Francisco auf. Der Sex ist auch hier intensiv, doch wann immer das Paar Dritten begegnet, weicht Jennifer zurück, verleugnet, dass Fernando mehr ist als ein Migrant, den sie und ihre Wohltätigkeitsorganisation fördert.

Dass „Dreams“ kaum einen Monat nach Beginn der zweiten Amtszeit Donald Trump seine Weltpremiere erlebt, lässt ihn noch aktueller wirken. So sehr Migranten auch in den USA einen essentiellen Teil der Wirtschaft darstellen, die ohne sie kaum noch funktionieren würde, so ambivalent gestaltet sich das Verhältnis vieler Amerikaner zu den neuen Zuwanderern – in der Nation, die ohne Migration nicht existiert hätte. Bis zu einem bestimmten Punkt werden sie toleriert, danach wird es schwer: „Ich weiß es zu schätzen, dass du dich für Migranten einsetzt“, sagt Jennifers Vater da einmal, nachdem er von der Beziehung seiner Tochter zu Fernando erfahren hat „aber es gibt Grenzen.“

Jessica Chastain hat sich ganz auf ihre Rolle in „Dreams“ eingelassen. Foto: Teorema
Jessica Chastain hat sich ganz auf ihre Rolle in „Dreams“ eingelassen. Foto: Teorema

Jessica Chastain wirkt kalt und narzisstisch, liebesbedürftig und verloren

Am Ende geht es um Macht und Kontrolle, in jeder Beziehung: In der zwischen den USA und Mexiko, den wohlhabenden Schichten Amerikas und den sich illegal im Land befindenden Migranten aus Mexiko und zwischen Jennifer und Fernando: Wenn sie in der zunehmend sadomasochistisch angehauchten Beziehung den Ton angibt, ist ihre Liebe groß. Versucht Fernando, auf eigenen Beinen zu stehen, zeigt Jennifer sofort ihre andere Seite. Ganz subtil ist es nicht, wie Michel Franco hier das Wesen der philanthropischen Klasse Amerikas seziert, aber zum Glück hat sich Jessica Chastain ganz auf ihre Rolle eingelassen: Kalt und narzisstisch, liebesbedürftig und verloren wirkt diese Frau, faszinierend komplex und widersprüchlich, zwischenzeitlich fast bemitleidenswert und dann doch zu einem finalen, unfassbar brutalen Akt fähig, der alle Träume zerstört.


Mehr zur Berlinale

Ach, diese Millennials: „Ari“ handelt von einem 27-jährigen Problemkind. Sehenswert im Wettbewerb: Vicky Krieps und Emma Mackey in „Hot Milk“. Zur Eröffnung haben wir „Das Licht“ von Tom Tykwer gesehen – die Filmkritik. Der erste Film im Wettbewerb: Hier ist die Filmkritik zu „Living the Land“. Ihr braucht einen Überblick? Filmtipps für die Berlinale 2025 mit Empfehlungen für jede Sektion. Filmprominenz im Blitzlichtgewitter: Diese Stars kommen 2025 zur Berlinale. Welche Filme laufen, wann und wo findet ihr das vollständige Programm? Alle Infos rund um das Programm der Berlinale. Wann beginnt der Verkauf, wo gibt es Tickets? Alles, was ihr zum Ticketkauf der Berlinale wissen müsst. Die Jury um Todd Haynes wird ihre Freude haben am Berlinale-Wettbewerb 2025, der spannend und ausgeglichen werden dürfte. Was läuft sonst? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin. Alles zum Festival steht in unserer Berlinale-Kategorie.

Folgt uns auch auf Instagram

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von tip Berlin (@tipberlin)

Berlin am besten erleben
Dein wöchentlicher Newsletter für Kultur, Genuss und Stadtleben
Newsletter preview on iPad