Berlinale

„Mother’s Baby“ im Wettbewerb: Unheimliches Wunschkind

Die junge Österreicherin Johanna Moder legt mit „Mother’s Baby“ einen Psychothriller vor, in dem eine Mutter nach der Geburt beinahe an ihrem Baby irre zu werden droht. Marie Leuenberger spielt das famos, findet Michael Meyns.

Claes Bang spielt in „Mother’s Baby“ den Chefarzt, Marie Leuenberger die Mutter, die die Geburtsklinik besucht. Foto: FreibeuterFilm
Claes Bang spielt in „Mother’s Baby“ den Chefarzt, Marie Leuenberger die Mutter, die die Geburtsklinik besucht. Foto: FreibeuterFilm

„Lumen Vitae“ – Das Licht des Lebens. So heißt die Kinderwunschklinik, in der Julia (Marie Leuenberger) und Georg (Hans Löw) auf die Vervollständigung ihrer Kleinfamilie hoffen. „Wir wissen, was wir hier tun“, protzt der ebenso gutaussehende wie selbstbewusst wirkende Chefarzt Dr. Vilfort (Claes Bang). Julia unterbricht ihre Karriere als Dirigentin und bekommt ein Kind. Doch schon die Geburt verläuft wenig erfreulich, das Baby will nicht kommen, und als es dann endlich auf der Welt ist, verschwinden der Doktor und die Hebammen kurzerhand mit dem Fötus. Alles sei in Ordnung, werden die Eltern beruhigt, doch so, wie Johanna Moder ihren Film „Mother’s Baby“ inszeniert, ist mehr als klar, dass keineswegs alles in Ordnung ist.

Warum schreit das Baby nie?

Etwas überraschend bekommen die Eltern am nächsten Tag ein gesundes, aber ausgesprochen stilles Baby in die Arme gedrückt, ein paar Tage später sind sie zu Hause in ihrer ausladenden Loft-Wohnung, und das Glück könnte komplett sein. Doch Julia fremdelt. Zu still ist das Baby, dem sie lange keinen Namen geben kann oder will, alles wirkt irritierend, die seltsam distanzlose Hebamme, die regelmäßig vorbeischaut, oder die Geschenke von Dr. Vilfort, der dem Paar einen Axolotl vorbeibringen lässt.

Marie Leuenberger legt ihre Figur unnahbar und kaum zu durchschauen an. Foto: FreibeuterFilm

Eine unheimliche Stimmung lässt Moder vom ersten Moment an entstehen, die Angestellten in der Klinik tauschen betont zweideutige Blicke aus, das Verhalten des jovialen Doktors trägt auch nicht unbedingt zur Vertrauensbildung bei, und überhaupt: Warum schreit das Baby nie?

Zunehmend belastet wirkt die Beziehung zwischen Julia, die nun den ganzen Tag zu Hause bleibt, aus der Ferne mit ansehen muss, wie eine jüngere Dirigentin ihr den Job streitig macht, und Georg, der sich über das immer erratischere Verhalten seiner Frau wundert.

„Mother’s Baby“: Das Psycho-Drama gerät nur zum Ende aus der Spur

Zwei Möglichkeiten stellt Moder in den Raum: Julia leidet an einer besonders schweren Form postnataler Depression, die sie paranoid und misstrauisch werden lässt. Oder hinter der glatten Oberfläche der Geburtsklinik, der vielleicht etwas zu cool wirkenden Fassade des Arztes, lauern ungeahnte Abgründe. Dass auch das Zuschauer lange zweifeln dürfte, ob Julia einfach spinnt oder doch Opfer einer Intrige geworden ist, liegt vor allem an der Darstellung Marie Leuenbergers, die ihre Figur unnahbar und kaum zu durchschauen anlegt. Nur zum Ende gerät das bis dahin gut funktionierende Psycho-Drama aus der Spur, denn die finale Wendung mutet dann doch allzu gewollt und wenig glaubwürdig an.


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