Berlinale

„Reflection in a Dead Diamond“: Glitzer- und Funkelkino

Hélène Cattet und Bruno Forzani aus Belgien lassen Genrekino elegant zersplittern: tipBerlin-Filmkritiker Frank Arnold findet, dass „Reflection in a Dead Diamond“ vor allem etwas für Menschen ist, die das Kino der 60er- und 70er-Jahre lieben – weiße Anzüge, schnelle Autos, Geheimagenten, Latexfrauen und die Côte d’Azur.

„Reflection in a Dead Diamond“ bedient sich bei Agentenfilmen und Comicstrips. Foto: Cattet-Forzani
„Reflection in a Dead Diamond“ bedient sich bei Agentenfilmen und Comicstrips. Foto: Cattet-Forzani

Acht Jahre nach ihrem dritten Langfilm kehrt das belgische Filmemacherduo Helene Cattet & Bruno Forzani mit „Reflection in a Dead Diamond“, einer weiteren Genrerevision, zurück. War es in ihren ersten beiden Filmen, „Amer“ (2009) und „The Strange Colour of Your Body’s Tears“ (2013) der italienische Psychothriller, der giallo, der mit den fetischisierenden Bildern von schwarzen Handschuhen und blitzenden Messerklingen heraufbeschworen wurde, so nahmen sie sich mit „Let the Corpses Tan“ (2017) des italienischen Gangsterfilms (mit Anleihen beim Italowestern) an.

In ihrem neuen Film sind die Bezugspunkte weiter gefasst: zum einen die – oft in internationaler Koproduktion entstandenen – Agentenfilme, die in den 1960er-Jahren nach dem weltweiten Erfolg der James-Bond-Filme auf den Markt drängten, zum anderen Comicstrips, die sogenannten fumetti, in denen geheimnisvolle Figuren wie „Diabolik“, die nicht eindeutig dem Gut-Böse-Schema zuzuordnen waren, sich Versteckspiele mit den Ordnungshütern lieferten.

„Reflection in a Dead Diamond“ geht weiter in der Filmgeschichte zurück

Wenn hier eine Frau im schwarzen Latexanzug und maskiert auftritt, dann geht „Reflection in a Dead Diamond“ allerdings noch weiter in der Filmgeschichte zurück, zu den Stummfilmserials von Louis Feuillade, speziell seinem „Les Vampires“. Die mediale Verwertung solcher Stoffe wird selber zum Thema, wenn die Bücher um die geheimnisvolle Gestalt von Serpentik ins Bild gerückt werden, oder wenn einzelne Passagen nicht als Realfilm, sondern als fumetti oder auch als Fotoroman gezeigt werden. Gegen Ende dienen Zeitungsschlagzeilen dazu, den Fortgang der Handlung zu zeigen.

Wie schon in ihren Giallo-Adaptionen arbeiten Cattet ud Forzani auch hier mit den Stilmitteln des extremen Close Ups (leinwandfüllend immer wieder Augen) und des Splitscreens. Ebenso ist die Besetzung der Hauptrolle mit Fabio Testi eine Referenz an die Filmgeschichte, spielte der doch sowohl in Arthouse-Filmen (am bekanntesten wohl Andrzej Żuławskis „Nachtblende“ als Partner von Romy Schneider), war aber vor allem in italienischen Gangster- und Polizeifilmen (auf beiden Seiten des Gesetzes) zu sehen.

Ein Thriller – und ein Film im Grenzbereich zwischen Realität und Imagination

„Reflection in a Dead Diamond“ funktioniert einerseits als Thriller um die Identität der maskierten Figur Serpentik, ist andererseits im Grenzbereich zwischen Realität und Imagination angesiedelt, wenn die Hauptfigur, der einstige Geheimagent John Diman, der seinen Ruhestand an der Riviera verbringt, durch das Verschwinden seiner Nachbarin an die eigene Vergangenheit erinnert wird. Sind deren Gespenster plötzlich wahrhaftig lebendig geworden, oder passiert das nur in seiner Fantasie? Wie in den früheren Filme des Duos geht es weniger um klare Antworten als darum, die Fantasie genreaffiner Zuschauer zu füttern.


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