Die Federn, die es für einen Häuptling braucht, trägt Nicola schon mal. Doch sie sind nur auf ein T-Shirt gedruckt. Ein symbolisches Kleidungsstück, das er mit seiner Paranza, einer Straßengang, in einem Streetwear-Shop erstanden hat, nachdem die ersten eingesammelten Euros in den Hosentaschen der Jugendlichen gelandet waren. In Roberto Savianos gleichnamigem Roman, auf dem Claudio Giovannesis Film eher lose denn zwanghaft basiert, ist Foot Locker der Sehnsuchtsort junger Süditaliener. Gut aussehen, Möbel mit Goldverzierung, gelegentlich in die Oper, um die Freundin zu beeindrucken – all das kostet. Und Geld ist knapp, besondere dann, wenn verschiedene Gangs durch die Gassen der Altstädte streifen, um Schutzgelder einzutreiben. Giovannesis Nicola besitzt ein Unrechtsbewusstsein für diesen Umstand. Gleichwohl ist ihm danach, auf der operierenden Seite zu stehen.
„Das ist ein Junge mit einem guten Gesicht und bösen Gedanken.“, schreibt Saviano in seiner Erzählung. „Das ist ein Junge mit einem hübschen Gesicht und manchmal auch bösen Gedanken“, würde es bei Giovannesi lauten. Der Regisseur nimmt ihm für seine Darstellung das blonde Haar genauso wie die Kühle, die ihn bei Saviano um einiges unberechenbarer, also gefährlicher agieren ließ. Auch den Dreck. Saviano eröffnete „La paranza dei bambini“, sein sechstes Buch seit „Gomorra“, das 2008 auch von Matteo Garrone verfilmt wurde, mit einer eher widerwärtigen Szene: Jener Nicola schiss einen vermeintlichen Rivalen da buchstäblich an. Dergleichen ist beim Film-Nicola, den Francesco Di Napoli mit einer interessanten Mischung aus Treuseligkeit, Naivität und Ritterlichkeit verkörpert, kaum vorstellbar. Natürlich bemüht sich auch Giovannesi um das Zeigen einer von unzähligen Schüssen porös gewordenen Gesellschaft, welche die entstandenen Löcher mit Champagner, Uhren und Keksen vergeblich zu stopfen versucht. Er behilft sich hierfür aber vor allem mit inszenatorischer Geschwindigkeit. Eine Geschwindigkeit, die es braucht, um auf einem Motorroller über einen Abgrund zu fliegen. Bei Roberto Saviano aber fiel man hinein. CAROLIN WEIDNER