Gegen das Schweigen: 35 Jahre später will die Tochter die Eltern zum Sprechen animieren über ein Kapitel ihres Lebens, das so schmerzhaft war, dass sie es verdrängen mussten, um weiterleben zu können
Zwei Handtücher zeigt ihr der Vater, beide gehörten Mitgefangenen, die hingerichtet wurden, er selbst hätte der Dritte sein sollen. Das war in Evin, einem berüchtigten Gefängnis für politische Gefangene im Iran, wo der Vater von Maryam Zaree nach der Revolution 1979 als Oppositioneller einsaß, ebenso wie seine Frau. Beide hatten schon gegen das Schah-Regime gestanden, aber erst ihre Ablehnung dessen, was Ayatollah Khomeini machte, brachte sie dorthin. In Evin wurde Maryam Zaree 1983 geboren – etwas, wovon ihr ihre Mutter nur widerwillig erzählt hat, obwohl sie, in Deutschland als Grünen-Politikerin aktiv, sonst sehr beredt ist.
35 Jahre später will die Tochter die Eltern zum Sprechen animieren über ein Kapitel ihres Lebens, das so schmerzhaft war, dass sie es verdrängen mussten, um weiterleben zu können. So befragt sie auch Verwandte und Psychologen und erfährt dabei, dass ihr Schicksal kein einzelnes war. Die Teilnahme an einem Gerichtstribunal in Den Haag, bei dem Opfer das Wort ergreifen, erschließt weitere gesellschaftliche Zusammenhänge.
Zwischen der eigenen Geschichte und deren Einordnung springt der Film hin- und her, manchmal etwas atemlos, wenn Gespräche an weit voneinander entfernten Orten aneinandergehängt werden. Aber selbst in der Ironie des von Zaree gesprochenen Off-Kommentars ist die Schwierigkeit des Sprechens spürbar. Zaree, bekannt aus „Shahada“, „4 Blocks“ (als Ehefrau des Clanchefs) und zuletzt in „Systemsprenger“ zu sehen, hat mit „Born in Evin“, erstaufgeführt in der diesjährigen Perspektive Deutsches Kino der Berlinale, einen höchst eindringlichen Film gegen das Schweigen gemacht.
Born in Evin D 2019, 96 Min., R: Maryam Zaree, Start: 17.10.