Kein Film von Michael Haneke ohne mitgelieferte Selbstdistanzierung. Der österreichische Regisseur hat seine Figuren schon dem Zuschauer verschwörerisch zuzwinkern lassen („Funny Games„) oder die Filmapparatur im Film selbst als Lügenmaschine entlarvt („Code: inconnu“). Die Manipulation, die jeder Film darstellt, soll sichtbar werden – das versteht Haneke als Zeichen des Respekts gegenüber seinem Publikum. „Ich weiß nicht, ob ich mich richtig erinnere, und manches weiß ich nur vom Hörensagen“, eröffnet nun der Erzähler von „Das weiße Band“ seinen Bericht, in dem vieles bis zum Ende ein Rätsel bleiben wird. „Das weiße Band“ ist ein Panorama der spätwilhelminischen Gesellschaft, mit Adel und Kirche, Bürgern und Bauern, die in einem brandenburgischen Dorf in den Monaten vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs Adressaten von anonymen Bestrafungsaktionen werden. Fast seriell variiert Haneke mit dem ihm eigenen, schwarzen pädagogischen Zug Motive von Herrschaft und Demütigung, von Verdrängung und massiver Körperfeindlichkeit, löst sie ab mit Gewaltausbrüchen und kreist dabei immer enger und enger um die Kinder, die die Werte ihrer Eltern gegen diese wenden. Hanekes Figuren haben eine Ahnung vom zerstörerischen Charakter ihrer Lebensverhältnisse, aber keine Mittel zu entkommen. Der perfekte Rahmen für einen historischen Horrorfilm.
Lesen Sie hier: Ein Interview mit Regisseur Michael Haneke
Text: Robert Weixlbaumer
tip-Bewertung: Sehenswert
Orte und Zeiten: „Das weiße Band“ im Kino in Berlin
Das weiße Band, Deutschland/ Österreich/Frankreich/Italien 2009; Regie: Michael Haneke; Darsteller: Christian Friedel (Der Lehrer), Leonie Benesch (Eva), Ulrich Tukur (Gutsherr); Farbe, 144 Minuten
Kinostart: 15. Oktober