Der Spiegel ist ein vieldeutiges Emblem, kulturhistorisch aufgeladen vom Narziss-Mythos bis zu seiner filmischen Kanonisierung als Zugang zu einer anderen Welt in Cocteaus Meisterwerk „Orphйe“ (1950). Das alles und sicher noch einiges mehr beschäftigte augenscheinlich das Team um den Münchner Studenten Rudi Gaul bei der Realisation ihres Spielfilmdebüts „Das Zimmer im Spiegel„.
Als klaustrophobisches Kammerspiel angelegt, erzählt der Film von der jüdischen Ärztin Luisa, die in den 1940er-Jahren von ihrem nichtjüdischen Ehemann Karl in einer leeren Wohnung versteckt wird und an der Einsamkeit in dieser Schutzhaft verzweifelt. Da taucht plötzlich die geheimnisvolle Schauspielerin Judith auf, voller Mut und Freiheitsdrang, erotisch schillernd und nicht ganz real, die sie in eine andere Welt hinter dem großen Wandspiegel entführt.
Hochstilisiert in Bildsprache und Erzählgestus versucht sich der Film an einem bewussten Gegenentwurf zum Realismus der Berliner Schule – und doch fehlt gerade die Unschärfe des Traumbildes, die bei einem Regisseur wie Petzold noch in der nüchternsten Einstellung lauert. So wirkt der ambitionierte Film nur wie die Illustration eines Thesenpapiers im Proseminar.
Text: Stella Donata Haag
tip-Bewertung: Uninteressant
Orte und Zeiten: „Das Zimmer im Spiegel“ im Kino in Berlin
Das Zimmer im Spiegel, Deutschland 2008; Regie: Rudi Gaul; Darsteller: Kirstin Fischer (Luisa), Eva Wittenzellner (Judith), Maximilian Berger (Karl); Farbe, 108 Minuten
Kinostart: 7. Januar