Deborah Feldman wuchs in einer chassidischen Familie in New York auf. Nach ihrer Emanzipation floh sie nach Berlin, hier schrieb sie mehrere Bücher. Ihr autobiografisches Debüt „Unorthodox“ hat der Streaming-Dienst Netflix nun zu einer Serie verarbeitet. Unser Autor Bert Rebhandl hat den Vierteiler gesehen.
Berlin ist die Stadt der Freiheit. So stand es einmal über einem Artikel, in dem die Geschichte von Deborah Feldman erzählt wurde: orthodoxe Jüdin aus New York, geflohen aus einer chassidischen Familie, in der sie früh mit einem Mann verheiratet wurde, den sie kaum kannte. Heute lebt Feldman mit ihrem Kind in Berlin. Ihre Erfahrungen hat sie in mehreren Büchern verarbeitet, das erste hieß „Unorthodox“ und wurde ein weltweiter Bestseller. Zur Veröffentlichung ihres dritten Buches „Überbitten“ trafen wir Deborah Feldman zum Interview.
„Unorthodox“ als Vierteiler auf Netflix
Es gibt also naheliegende Gründe, dass die vierteilige Netflix-Serie „Unorthodox“, die auf dem Buch beruht, sehr viel mit Berlin zu tun hat. Sie wurde nicht nur zur Hälfte hier gedreht, der zweite Schauplatz ist Williamsburg in New York, längst ein Hipsterviertel, aber auch mit Enklaven jüdischer Ultraothodoxie. Die deutsch-amerikanische Serienmacherin Anna Winger („Deutschland 83“), die Filmemacherin und Autorin Alexa Karolinski („Lebenszeichen“) und die Regisseurin (und Schauspielerin) Maria Schrader sind neben Deborah Feldman die wichtigsten Figuren hinter der Serie „Unorthodox“. Das Buch wird aber ausdrücklich nur als „Inspiration“ in den Credits genannt – es handelt sich um eine freie Adaption, vor allem, was die Berliner Passagen betrifft.
Im Mittelpunkt steht Esther Shapiro, meistens Esty genannt. Sie gehört einer jüdischen Gemeinschaft an, in der das Verhältnis zwischen Männern und Frauen sehr stark traditionellen Regeln folgt. Meistens wird Jiddisch gesprochen, und die sechs Millionen Opfer der Shoah wie auch die Erfahrungen in Osteuropa vor dem Zweiten Weltkrieg sind ständig präsent. Esty trifft auf einen eigentlich netten Mann, aber der familiäre Druck und die unaufgeklärte Sexualität machen ihre Ehe zu einem Alptraum.
Die israelische Schauspielerin Shira Haas ist für die Rolle der Esty eine ideale Besetzung. Sie schält sich im Verlauf der vier Folgen allmählich aus ihrer ersten Identität, und bringt einen Tomboy mit kurz geschorenen Haaren zum Vorschein. In Berlin gilt dieser Haarschnitt als cool, bemerkt sie einmal staunend. In ihrer Gemeinschaft gelten Haare als unanständig, denn sie könnten atrraktiv wirken. Shira Haas ist groß als das verletzliche Kraftzentrum der Serie.
Weniger überzeugend sind leider alle anderen Figuren. Esty kommt ohne Gepäck und nur mit ein bisschen Geld nach Berlin. Sie findet Anschluss an eine Gruppe von Studierenden an einem Konservatorium. Da machen sich die Serienmacher ein ziemlich kitschiges Bild von der „Stadt der Freiheit“: ein hübscher deutscher Cellist, eine israelische Geigerin, dazu alle Hautfarben und sexuellen Orientierungen.
Rückblenden auf die New Yorker Zeit
In Rückblenden wird parallel die Geschichte von Esty in New York erzählt, und weil damit die Informationen stückweise verteilt werden, bekommen die Dialoge der neuen Freunde mit Esty etwas merkwürdig Verkniffenes: sie dürfen ja die naheliegendsten Fragen nicht stellen, weil sie damit der Dramaturgie vorgreifen würden.
Anna Winger hat in einem Interview einmal angedeutet, dass deutsche Serien-Produktionen zum Teil deutlich weniger Budgets haben als die amerikanischen Spitzenproduktionen. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sich hier der Markt erst entwickeln muss, zudem stellt „Unorthodox“ mit einer Vielzahl an jiddischen (untertitelten) Dialogen für manche Zuschauer sicher auch eine Herausforderung dar. Aber man merkt es dann leider doch an vielen Stellen, dass sechs statt vier Folgen wohl besser gewesen wären, und vielleicht auch eine chronologische Erzählweise.
Ein Produkt des kosmopolitischen Berlin
Die Stadt der Freiheit streift im übrigen das alltägliche Berlin nur sehr am Rand. „Unorthodox“ ist ganz und gar ein Produkt des kosmopolitischen Berlin, in dem es eher wahrscheinlich ist, dass ein schwuler Nigerianer mit einer Jemenitin aus München frühstückt, als dass jemand in einer U-Bahn mal auf einen Motz-Verkäufer oder einen Wegbier-Trinker trifft.
Auch das kontroverse Thema der jüdischen Ultraorthoxie, das in manchen Filmen aus Israel wesentlich schonungsloser angegangen wurde, wird in „Unorthodox“ möglichst ausbalanciert – man merkt, dass es sich um eine deutsche Serie handelt, die auch nur den leisesten Verdacht von Antisemitismus vermeiden möchte. Deswegen wird die Community, aus der Ester kommt, auch mit stimmungsvollen Szenen charakterisiert, und der Moment ihrer Befreiung ist am Ende pointiert mit ihrer Herkunft verbunden.
Unorthodox ist seit 27. März auf Netflix verfügbar. Was im April sonst noch bei den großen Streaming-Anbietern läuft, verraten wir hier.