Die pathetische Schlichtheit des Titels ist irreführend: „In die Welt“ zeigt nicht die Geburt als Mysterium, als ideologisch aufgeladenen Gewalt- und Gnadenakt, der alle Beteiligten fassungslos zurücklässt. Aber eben nur fast alle. Für die Mitarbeiter der Wiener Geburtsklinik, die Constantin Wulff in seinem beeindruckenden Dokumentarfilm vorstellt, reduziert sich das singuläre Ereignis nach erfolgreichem Abschluss auf eine von zigtausend grünen Aktenmappen. Ein solcher medizinischer Großbetrieb kann nur funktionieren durch reibungslose Synchronisierung der Abläufe, von den Terminen des Ultraschallspezialisten bis zum Einsatz der Putzkolonne. Der Schmerz (oder in diesem Falle auch das Glück) ist Gegenstand lückenloser Erfassung durch die Institution.
Angesichts dieser schon dem Stoff eigenen Spannung von Form und Inhalt hält sich der Film klug zurück. In ruhig beobachtenden, kommentarlosen Bildern und sorgfältig rhythmisierenden Schnitten steht die pränatale Diagnose des Herzfehlers neben der Inventur des Medikamentenschrankes, die routinierte Geschäftigkeit der Kaiserschnittoperation neben dem Normalfall der „spontanen Geburt“, der fraglos und sichtbar eine der großen Baustellen der menschlichen Evolution ist.
So ist es gerade dieses unterschiedslose Nebeneinander von Grenzerfahrung und Alltag, die aus diesem Film einen – und hier passt das No-Word endlich mal – authentischen Erfahrungsraum machen. Das Pathos liegt, wenn überhaupt, im Auge des Betrachters.
Text: Stella Donata Haag
tip-Bewertung: Sehenswert
Orte und Zeiten: „In die Welt“ im Kino in Berlin
In die Welt, Österreich 2008; Regie: Constantin Wulff; Farbe, 88 Minuten
Kinostart: 28. Mai 2009